Geschichte im Gespräch. Zeitzeugen, Expertinnen, oder Betroffene schildern ihre Erinnerungen an historische Ereignisse. Aber nicht nur der Blick zurück ist hier wichtig, die «Zeitblende» auf Radio SRF4 News analysiert auch die aktuelle Bedeutung dieser Ereignisse.
Bruno Stefanini: Ein Sammler verliert die Kontrolle
Der Winterthurer Bruno Stefanini baute sich mit Immobilien ein Milliardenimperium auf. Er kaufte sich Kunst, Geschichtsträchtiges und Kuriositäten und hinterliess eine Sammlung von rund 100'000 Objekten. Doch seine Vision eines grossen Museums scheiterte.
Er sammelte fast alles, verkaufte fast nichts. In diesem Jahr wäre der Winterthurer Sammler und Multimillionär Bruno Stefanini 100 Jahre alt geworden. Die Zeitblende besucht das heutige Sammlungslager der Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte in Winterthur, spricht über Absprachen zwischen Stefanini und einem Altbundesrat und gibt Einblick in bisher unveröffentlichte Tagebucheinträge.
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(00:00) «Verrückt, nicht wahr?!!!!!!!!!!!!!»
(02:02) Pult von Kennedy
(04:47) Der junge Stefanini
(09:08) 40 Jahre Reinigungsaufwand
(10:42) Der Unternehmer Stefanini
(18:00) Eine grossflächige Skizze
(20:00) Absprachen mit Blocher
(24:28) Die Vision eines Museums
(28:06) Neid, Eifersucht, Missgunst
(33:17) Abspann
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Hast du Feedback, Fragen oder Wünsche? Wir freuen uns auf deine Nachricht via zeitblende@srf.ch – und wenn du deinen Freund:innen und Kolleg:innen von uns erzählst.
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Gesprächspartner:innen:
- Severin Rüegg, Sammlungsleiter der Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte
- Miguel Garcia, Historiker
- Christoph Blocher, alt Bundesrat und Kunstsammler
- Bettina Stefanini, Tochter Bruno Stefaninis und Direktorin der Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte
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Literatur:
- Matthias Frehner & Valentina Locatelli (2023). Anker, Hodler, Vallatton. Fondation Pierre Gianadda.
- Miguel Garcia (2016). Bruno Stefanini. Ein Jäger und Sammler mit hohen Idealen. NZZ Libro.
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Team:
- Autor: Oliver Kerrison
- Sprecher:innen: Armin Berger, Oriana Schrage, Yonathan Schrage
- Mitarbeit: SRF Recherche und Archive
1/27/2024 • 34 minutes, 29 seconds
Walter Amstutz: Der Skipionier aus Mürren
Anfang der 1920er-Jahre beschloss Walter Amstutz aus Mürren im Berner Oberland, zusammen mit seinem Freund Arnold Lunn eine neue Form des Skifahrens etablieren zu wollen. Bergab sollte es gehen, auf vorgegebener Strecke, und möglichst anspruchsvoll. Die Idee der alpinen Skirennen war geboren.
Wer Anfang der 1920er-Jahre «Skirennen» sagte, meinte damit vor allem Langlauf und Skispringen – diese nordischen Disziplinen waren vorherrschend. Bis in Mürren der Brite Arnold Lunn und der Einheimische Walter Amstutz auf die Idee kamen, Abfahrts- und Slalomrennen auszutragen.
Entscheidend war laut dem Historiker Daniel Anker das Jahr 1924. In dem Jahr gründeten beide Pioniere je einen Skiclub, die den Zweck hatten, alpine Skirennen vorwärtszubringen. Lunn kreierte den britischen Kandahar Ski Club, und Amstutz gründete den Schweizerischen Akademischen Skiclub. Diese Clubs sollten fortan zum Schlüssel werden, um Rennen zu organisieren und immer mehr Menschen von dieser Wettkampfform zu begeistern. 1931 fand in Mürren die erste Ski-WM statt.
Zu Gast in dieser Zeitblende:
- Daniel Anker, Alpinhistoriker
- Gisela Vollmer, Präsidentin des Minimuseums Mürren
- Yvonne Gozon, Tochter von Walter Amstutz
- Andreas Feuz, langjähriger Präsident des Ski Clubs Mürren
Quellen / Literatur:
- Amstutz, Max D. (2010): Die Anfänge des alpinen Skirennsports. Zürich: AS Verlag.
- Amstutz, Max D. (2020): Glorioses Mürren – wie das Walserdorf zur Wiege des Skirennsports wurde. In: Der Schneehase, Sonderdruck aus Edition 40, 2016-2019.
- Anker, Daniel (2023): Akademiker als siegreiche alpine Skiläufer. In: Quin, Grégory, Laurent Tissot und Jean-Philippe Leresche (Hrsg.) : Skiland Schweiz. Eine Geschichte. Thun/Gwatt: Weber-Verlag.
- Engel, Simon (2021): Das ganze Volk fährt Ski! Das ganze Volk? In: Schweizerisches Nationalmuseum. Blog.
- Ski Club Mürren (1987): 75 Jahre Ski Club Mürren. 1912-1987.
- Triet, Max (2001): Amstutz, Walter. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
1/13/2024 • 29 minutes, 40 seconds
Mentona Moser: Die Sozialrevolutionärin mit der Perlenkette
Geboren 1874 als Tochter des unermesslich reichen Schweizer Uhrenfabrikants Heinrich Moser, will sie die Welt ein bisschen gerechter machen. Im Kommunismus sieht sie die Lösung. Sie engagiert sich in London, Zürich, Moskau und Berlin und stirbt schliesslich verarmt als Ehrenbürgerin der DDR.
In der Zeitblende treffen wir Mentona Mosers Enkel Roger Nicholas Balsiger, der seine Grossmutter bis 1971 mehrfach in Ost-Berlin besucht hat. Der Buchautor hat den Nachlass seiner Grossmutter aufgearbeitet. Sie sei ein Vulkan mit unglaublicher Kraft gewesen.
Die Historikerinnen Brigitte Studer von der Universität Bern und Nadja Ramsauer von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaft ordnen in der Zeitblende das soziale und politische Leben von Mentona Moser ein.
12/30/2023 • 29 minutes, 17 seconds
Nuot Ganzoni in Biafra: Mit Schweizer Waffen auf Schweizer Hilfe
1969 tobt in Biafra ein blutiger Bürgerkrieg. Nigerias Armee will die Region aushungern. Hilfswerke und das Rote Kreuz organisieren Hilfe über eine Luftbrücke - doch die kommt unter Beschuss von Schweizer Flugabwehrkanonen. Der 92-jährige Arzt Nuot Ganzoni berichtet von seinem Hilfseinsatz.
Während das Internationale Komitee vom Roten Kreuz IKRK und kirchliche Hilfswerke Biafra über eine Luftbrücke mit medizinischer Hilfe und Lebensmitteln auch aus der Schweiz versorgen, bezieht die nigerianische Zentralregierung trotz Waffenausfuhr-Embargo Flugabwehrkanonen von Oerlikon-Bührle. Die Armee nimmt auch mit diesen Waffen die Luftbrücke ins Visier. Acht Flugzeuge der kirchlichen Hilfswerke und eines des IKRK werden abgeschossen.
Der Widerspruch einer gleichzeitigen Lieferung von Waffen und Hilfe sorgt in der Schweizer Öffentlichkeit für einen empörten Aufschrei. Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt erklärt: "Die Schweiz liefert Waffen und das Rote Kreuz als Apotheke hinterher." Eine Volksinitiative wird lanciert, die Waffenexporte grundsätzlich verbieten will.
"Der Bührle-Skandal ist einer der grössten Skandale in der Geschichte der Schweizer Waffenausfuhr-Politik", sagt Historiker Dominik Matter in der Zeitblende. Er und der Schweizer Arzt Nuot Ganzoni, der 1969 für drei Monate im abgeriegelten Biafra im Einsatz war, schauen zurück auf einen der ersten und blutigsten Bürgerkriege im postkolonialen Afrika. Und auf die Verstrickungen der Schweiz in den Biafra-Krieg.
Gesprächspartner:
* Dr. med. Nuot Ganzoni, Arzt, 1969 in Biafra für das IKRK im Einsatz
* Dr. Dominik Matter, Historiker, Forschungsstelle für Diplomatische Dokumente der Schweiz Dodis
12/16/2023 • 31 minutes, 36 seconds
Der «American Dream» des Schweizers Oscar Tschirky
Alle nannten ihn einfach «Oscar»: Oscar Tschirky, ein einfacher Einwanderer aus der Schweiz, der in New York bis in die höchsten Kreise aufsteigt – als Gastgeber im edlen Hotel Waldorf-Astoria.
Er lässt den Ballsaal in eine Zirkusmanege verwandeln, mit Trapezkünstlern über den Köpfen der tafelnden Gäste oder dekoriert den Saal wie den Campus der Universität Yale: Oscar Tschirky ist der Mann für die extravaganten Anlässe der amerikanischen Oberschicht, mit exquisiten Menus und erstklassigem Service. Er kennt sie alle mit Namen, die Industriellen und Showstars, die Politiker und Staatsgäste jener Zeit. Und alle kennen ihn.
Ihn, der Einwanderer aus der Schweiz, geboren in Le Locle im Kanton Neuenburg. Im zarten Alter von 17 Jahren wandert Oscar Tschirky 1883 nach Amerika aus, nach New York. In der Schweiz lässt er ein bescheidenes Leben hinter sich. In den USA arbeitete er sich hoch, vom Kofferträger zum «maître d hôtel» und ist 50 Jahre lang die unverzichtbare «Seele» des legendären Waldorf und des Waldorf-Astoria, des damals prunkvollsten und grössten Hotels der Welt. In einer Zeit, in der die Hotels auch die amerikanische Gesellschaft prägen.
Gesprächspartner:innen:
* Fabio Bestazzoni, Leiter der Bibliothèque de la Ville du Locle
* Annabella Hüfler-Fick, Amerikanistin.
Quellen/Literatur:
* Schriftgiesser, Karl: Oscar of the Waldorf. E.P. Dutton & Co. New York, 1943.
* Tschirky, Oscar: The Cookbook by Oscar of the Waldorf. The Werner Company. Chicago, New York, 1896.
* Lüönd, Karl: «Der Mann, der seinen Namen vergass. Oscar Tschirky, genannt «Oscar of the Waldorf». In: Schweizer in Amerika. Karrieren und Misserfolge in der Neuen Welt, S. 202-208. Walter Verlag. Olten, 1979.
* Turkel. Stanley: Hotel Mavens: Lucius M. Boomer, George C. Boldt and Oscar of the Waldorf. AuthorHouse. 2014.
* Fick, Annabella: New York Hotel Experience. Cultural and Societal Impacts of an American Invention. Transcript Verlag. Bielefeld, 2017.
* Bestazzoni, Fabio: Le fabuleux destin d Oscar Tschirky. Un Montagnon à New York. Nouvelle Revue neuchâteloise, Band 153. La Chaux-de-Fonds, 2022.
12/2/2023 • 27 minutes, 58 seconds
Veronika Gut und der Nidwaldner Widerstand
Im Jahr 1798 ging die alte Eidgenossenschaft nach dem «Franzoseneinfall» unter. Besonders heftiger Widerstand kam dabei aus Nidwalden. Dort wehrte man sich gegen den neuen Zentralstaat. Finanziell und moralisch unterstützt wurden die Nidwaldner dabei von der konservativen Bauersfrau Veronika Gut.
In Nidwalden wollte man den Status quo wollte man beibehalten – man hatte ein eigenes Verständnis von Freiheit. Dazu gehörten die Ideen der Aufklärung nicht. Zum traurigen Höhepunkt kam es im September 1798, als die überlegenen französischen Truppen in Nidwalden einmarschierten und gegen die Nidwaldner in die Schlacht zogen. Die Folge war ein Massaker an der lokalen Bevölkerung. Die Ereignisse kennt man heute als «Nidwaldner Schreckenstage» - sie erzeugten ein lang anhaltendes, kollektives Trauma. Veronika Gut verlor an diesem Tag ihren Sohn - und später nach einer Falschwarnung auch ihre vier Töchter. Das machte ihren Widerstand allerdings nur noch stärker. Sie nahm mit dem nach ihr benannten «Froneggrat» entscheidend Einfluss auf die Politik in Nidwalden bis 1815.
Gäste in der «Zeitblende»:
* Brigitt Flüeler, Präsidentin Historischer Verein Nidwalden
* Peter Steiner, Ortshistoriker
* André Holenstein, em. Professor für Geschichte an der Universität Bern.
Literatur:
* Achermann, Hansjakob & Haller-Dirr, Marita (1998): Nidwalden 1798: Geschichte und Überlieferung. Stans: Historischer Verein Nidwalden.
* Capus, Alex (2006): 13 wahre Geschichten. München: Deutscher Taschenbuch-Verlag.
* Gut, Franz Joseph (1862): Der Überfall in Nidwalden im Jahr 1798 in seinen Ursachen und Folgen. Stans.
* Messmer, Kurt & Gautschi, Peter (2023): Zweierlei Freiheiten: Eine historische Revue zum Franzoseneinfall in Nidwalden 1798. Thun/Gwatt: Pro Libro.
* Niederberger, Gabriela (1998): "Sie ist, wie die Weiber dieser Berge sind, an Muth den Männern gleich." Die Widerstandsarbeit der Veronika Gut 1798 bis 1815. In: Frauenspuren in Nidwalden und Engelberg (Hrsg.): Frauenleben in Stans. Spurensuche durch die Jahrhunderte. Stans.
* Steiner, Peter (2013): Gut, Veronika. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
11/18/2023 • 33 minutes, 30 seconds
Georg Elser und der Tyrannenmord («Passage»)
Am 8. November 1939 verübte der Schreiner Georg Elser in München ein Bombenattentat auf Adolf Hitler. Der Tyrannenmord scheiterte knapp. Diese Woche erscheint hier eine aktuelle Ausgabe der Sendung «Passage» anstelle der Zeitblende.
Georg Elser war ein Handwerker aus dem württembergischen Dorf Königsbronn. Hitler entging seiner Bombe nur durch Zufall. Bis heute steht Georg Elser im Schatten anderer Widerstandskämpfer. Der deutsche Historiker Wolfgang Benz setzt dem noch immer wenig bekannten Georg Elser mit einer neuen Biografie ein Denkmal. In der Elser-Gedenkstätte in Königsbronn diskutieren Jugendliche, was uns der Attentäter heute noch zu sagen hat. Wie stehen wir heute zu einer solchen Tat – Blut vergiessen, um Leben zu retten? Der Tyrannenmord könne – unter gewissen Bedingungen – auch heute noch ein legitimes Mittel des politischen Widerstands sein, sagt die Philosophin Katrin Meyer.
Literatur:
* Wolfgang Benz: Allein gegen Hitler. Leben und Tat des Johann Georg Elser, C.H. Beck 2023.
11/4/2023 • 56 minutes, 11 seconds
Die Affäre Conradi von 1923 – Ein Freispruch mit Folgen
Im Frühjahr 1923 erschüttert ein Attentat die Schweizer Öffentlichkeit. Während einer internationalen Konferenz in Lausanne erschiesst der Russlandschweizer Moritz Conradi den sowjetischen Gesandten. Der Mörder gesteht die Tat. Trotzdem wird er von einem Geschworenengericht frei gesprochen.
Offensichtlich ist nicht das Tötungsdelikt im Vordergrund des Prozesses gestanden, sondern die Russische Revolution und das Leid, das viele Russlandschweizerinnen und Russlandschweizer in deren Verlauf erlitten haben. Die junge Sowjetunion ist empört über den Freispruch Conradis und bricht ihre Beziehungen zur Schweiz ab. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg entstehen wieder diplomatische Kontakte zwischen Bern und Moskau.
Die «Zeitblende» thematisiert die Affäre-Conradi 100 Jahre nach dem aufsehenerregenden Mord. Wie kam es zu diesem Verbrechen und wie zum Freispruch? Warum schafft es die Schweiz erst mehr als 20 Jahre später, wieder einen Botschafter nach Moskau zu schicken? Diese und weitere Fragen erörtern die Historiker Thomas Bürgisser und Sacha Zala von der Forschungsgruppe Diplomatische Dokumente der Schweiz auf Grund von Quellen aus der Online-Datenbank Dodis.
Weiterführende Links:
E-Dossier der Forschungsgruppe Diplomatische Dokumente der Schweiz: https://www.dodis.ch/de/die-conradi-affaere-vor-100-jahren
10/21/2023 • 24 minutes, 55 seconds
Tabu Verhütung: Die Zürcher Arbeiterärztin Paulette Brupbacher
Die Zürcher Ärztin und Sexualreformerin Paulette Brupbacher trifft in den 1920er-Jahren auf desolate Verhältnisse in den Arbeiterquartieren. Verschlimmert werde die Situation ihrer Patientinnen durch fehlende Verhütung, stellt sie fest. Sie wird zur Kämpferin für Verhütungsmittel und Frauenrechte.
Paulette Brupbacher bemängelt öffentlich das Wissen über Sexualität und Verhütung und hält Vorträge, bei denen sie mit Irrtümern und falschen Vorstellungen aufzuräumen versucht. Dabei bricht sie zahlreiche Tabus, wie Historikerin Karin Huser in der Zeitblende einordnet: «Es war wirklich skandalös, wenn sie auftrat mit ihren Referaten und Dinge forderte, die völlig gegen den Strich des gesellschaftlichen Denkens und der Normen war.»
Eine Reaktion bleibt nicht aus: Nach einem Vortrag in Derendingen SO, erhält Brupbacher ein Redeverbot für den Kanton Solothurn, später auch noch eines im Kanton Glarus. Redeverbote, die sogar das Bundesgericht beschäftigen. Trotzdem lässt sich die Ärztin nicht davon abbringen, Frauen zu beraten und Vorträge zu halten bis ins hohe Alter.
Wegen des zweiten Weltkriegs ist von den Erforts der damaligen Sexualreformerinnen, zu denen Paulette Brupbacher gehörte, nicht viel geblieben. «Man hat Paulette Brupbacher vergessen. Diese Avantgardebewegungen der 1920er-Jahre, die blieben in dieser Zwischenkriegszeit», bilanziert Lina Gafner, Co-Direktorin der Gosteli-Stiftung.
Die Zeitblende beleuchtet das Leben der Arbeiterärztin und Frauenrechtlerin Paulette Brupbacher, sowie ihrer Patientinnen im Zürcher Arbeiterquartier Aussersihl. Und sie fragt, wie Brupbacher zu einer Kämpferin für Frauenrechte, Verhütung und die Legalisierung von Abtreibungen wurde, Jahrzehnte vor der sexuellen Revolution der 1968er oder der Fristenlösung für Schwangerschaftsabbrüche von 2002.
Gesprächspartnerinnen:
* Lina Gafner, Co-Direktorin Gosteli-Stiftung
* Karin Huser, Historikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Staatsarchiv Zürich
Dauer: 29 Minuten
https://www.srf.ch/audio/zeitblende
Autorin: Barbara Mathys?
Verwendete/weiterführende Literatur und Quellen:
* Gafner, Lina: «Mit Pistole und Pessar». Sexualreform und revolutionäre Gesellschaftskritik im Zürich der 1920er- und 1930er-Jahre. Nordhausen, 2010.
* Huser, Karin: Paulette Brupbacher-Rajgrodski: Sexualreformerin. In: Maeder, Eva, Niederhäuser, Peter (Hrsg.): Käser, Künstler, Kommunisten. Vierzig russisch-schweizerische Lebensgeschichten aus vier Jahrhunderten. Zürich, 2009, S.191-194.
* Badura, Isabelle: Die Zürcher Ärztin Paulette Brupbacher (1880-1967). Sexualität, Geburtenregelung, Geschlechterrollen und Eugenik im Kontext ihrer Zeit. Lizentiatsarbeit, Universität Zürich, Historisches Seminar, 2002.
* Jütte, Robert: Lust ohne Last. Geschichte der Empfängnisverhütung von der Antike bis zur Gegenwart. München, 2003.
* Brupbacher, Paulette: Meine Patientinnen. Aus dem Sprechzimmer einer Frauenärztin. Stuttgart, 1953.
* Brupbacher, Paulette: Sexualfrage und Geburtenregelung. Zürich, 1936.
* Imboden-Kaiser, Frida: Wir sind nicht Herr über Leben und Tod. Mahnwort an die Schweizerfrauen zum Schutze des werdenden und absterbenden Lebens. St. Gallen, 1924.
10/7/2023 • 29 minutes, 14 seconds
Die barocken Schlemmereien einer Zürcher Bürgersfrau um 1699
Mohrenschwarzer Schweinskopf und mit Zucker bestreuter Fisch: Zwei von fast 500 Rezepten, welche die Bürgersfrau Anna Margaretha Gessner gegen Ende des 17. Jahrhunderts niederschrieb. Ihr Kochbuch verrät viel über das ausschweifende Leben des Bürgertums zu Zeiten des Barocks.
Über 300 Jahre nach dem Tod von Anna Margaretha Gessner – geborene Kitt – haben vier Autorinnen ihr handgeschriebenes Kochbuch aus seinem Schlummer im Archiv geweckt. Sie haben die schwer leserliche Handschrift transkribiert und eine Auswahl der Rezepte nachgekocht und modernisiert. Nicht alles würden wir heute noch essen. Singvögel, die mitsamt Federn eingemacht werden oder gebratene Butterballen: Das klingt grotesk in unseren Ohren. Anderes ist uns vertraut: «Käss mit Wein» zum Beispiel – ein Fondue. Das «Kochbuch der Kittin» gibt aber nicht nur Einblick in den bürgerlichen Speiseplan von damals, es verrät auch was über das steile soziale und finanzielle Gefälle. Während sich Tagelöhner oft von nichts anderem als Brei ernährten, lebte das Bürgertum im Überfluss.
Zu Gast in dieser Zeitblende:
* Denise Schmid, Historikerin und Publizistin
* Susanne Vögeli, Autorin und ehemalige Kochschullehrerin
Literatur:
* Schmid, Imhof, Arnet, Vögeli (2023): Das Kochbuch der Kittin von 1699. Zürich: Hier und Jetzt Verlag.
* Boesch Ina (2021): Weltwärts, Die globalen Spuren der Zürcher Kaufleute Kitt. Zürich: Hier und Jetzt Verlag.
9/23/2023 • 25 minutes, 21 seconds
Der Bergführer Matthias Zurbriggen – sein Aufstieg und sein Fall
Der Walliser Matthias Zurbriggen gilt als einer der bekanntesten Auslandsbergführer des 19. Jahrhunderts. Er wurde für Expeditionen ins Himalaya-Gebiet, nach Neuseeland und nach Südamerika engagiert. Er ist bekannt als Erstbesteiger des höchsten Bergs auf dem amerikanischen Kontinent, des Aconcagua.
In ärmlichen Verhältnissen in Saas-Fee und in Norditalien aufgewachsen, faszinieren Zurbriggen die Berge im Dörfchen Macugnaga. Von dort aus hat man einen herrlichen Blick auf das Monte Rosa-Massiv und die höchste Wand der Alpen. Doch mit 13 Jahren wird im das Dorf zu klein und er schlägt sich mit verschiedenen Arbeiten im Ausland durch. Nach elf Wanderjahren im Ausland wird er 25-jährig Bergführer. Vieles über seine zum Teil waghalsigen Touren beschreibt er in seiner Autobiographie. Er reist mit englischen Brotherren nach Neuseeland, ins Himalaya-Gebiet und nach Südamerika. Er entdeckt unbekannte Routen auf hohe Berge. Über die letzten Lebensjahre Zurbriggens ist allerdings wenig bekannt. Er nahm sich in Genf verarmt das Leben – er wurde 61 Jahre alt.
Zu Gast in dieser Zeitblende sind:
* Daniel Anker, Historiker und Autor mit Spezialgebiet Alpinismus
* Teresa Delgado, Südamerika-Korrespondentin SRF
Literatur:
* Anker, Daniel & Volken, Marco (2009): Monte Rosa. Königin der Alpen. Zürich: AS Verlag.
* Anker, Daniel (2022): Lebhaft und genial bis zum bitteren Ende. In: Die Alpen vom 22. April 2022. S. 30ff.
* Egger, Carl (1946): Pioniere der Alpen: 30 Lebensbilder der grossen Schweizer Bergführer. Von Melchior Anderegg bis Franz Lochmatter. 1827 bis 1933.
* Kalbermatten, Walter & Zurbriggen, André (1997): Matthias Zurbriggen. Der berühmteste Auslandsbergführer des 19. Jahrhunderts. Saas-Allmagell.
* Zurbriggen, Matthias (1937): Von den Alpen zu den Anden. Lebenserinnerungen eines Bergführers. Berlin: Union Deutsche Verlagsgesellschaft Roth und Company. Übersetzung des englischen Originals aus dem Jahr 1899.
9/9/2023 • 34 minutes, 3 seconds
Archivperle: Fall Stadelmann. Wie zwei Liebende zu Mördern wurden
Am 19. Oktober 1957 stirbt Peter Stadelmann. Mit einem Wagenheber wird er erschlagen, dann in die Reuss geworfen, wo er ertrinkt. Die Täter: Ein Aargauer Gipser und seine norwegische Geliebte. Sie wollen nach Amerika und brauchen Geld. Die Zeitblende mit einer Wiederholung vom 10. Oktober 2020.
Ihre Tat schreckt das ganze Land auf. Und sie verrät viel über die Schweiz der 1950er-Jahre.
Es ist eine Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs, als die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg noch wach war – und bereits der nächste Krieg, der «Kalte Krieg» drohte. Es werden Häuser und Autobahnen gebaut, die Schweizer kaufen sich ausländische Autos und Fernsehgeräte. Doch die 50er-Jahre sind auch eine Zeit der sozialen Ungleichheit, der rigiden Moralvorstellungen, der verklemmten Sexualität.
Vor dieser Kulisse spielt sich dieser Kriminalfall ab: Der Gipser Max Märki, ein verheirateter Familienvater, und die norwegische Hilfsköchin Ragnhild Flater verlieben sich ineinander, wollen ausbrechen aus ihrem Millieu und aus der Armut – und wollen nach Amerika. Sie brauchen Geld. Doch der Versuch, den unschuldigen Peter Stadelmann auszurauben, geht schief. Sie bringen ihn um.
Der Autor und Journalist Peter Hossli hat den Fall intensiv recherchiert und ein Buch geschrieben. Mit ihm zeichnet die «Zeitblende» diese Geschichte nach. Sie ist auch ein Sittengemälde der damaligen Gesellschaft, wie Monika Dommann, Geschichtsprofessorin an der Universität Zürich, ausführt.
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Diese Zeitblende wurde erstmals am 10. Oktober 2020 ausgestrahlt. In zwei Wochen erscheint wieder eine neue Ausgabe.
8/26/2023 • 32 minutes, 35 seconds
Keller-Jäggi und das Schächtverbot: Tierliebe oder Judenhass?
Vor 130 Jahren stimmte die Schweiz über die erste eidgenössische Volksinitiative ab. Das Schächtverbot war von viel Antisemitismus begleitet, aber auch dem noch neuen Tierschutzgedanken. Einer der Köpfe hinter der Initiative war der Aargauer Andreas Keller-Jäggi - was trieb ihn an?
Im August 1893 nahm das Schweizer Stimmvolk das Schächtverbot – die allererste eidgenössische Volksinitiative – an. Tiere durften fortan nicht mehr ohne Betäubung geschlachtet werden, also so wie es das rituelle Schlachten nach jüdischer (Koscher) und islamischer (Halal) Art vorsieht. Das Verbot zielte damals, Ende des 19. Jahrhunderts, auf die jüdische Gemeinschaft. Der Abstimmungskampf war entsprechend von viel Antisemitismus geprägt – aber auch von der noch immer relativ neuen Idee des Tierschutzes. Einer der Köpfe hinter der Initiative war Andreas Keller-Jäggi, der Präsident des Aargauischen Tierschutzvereins. Wer war Keller-Jäggi und was trieb ihn an, das Schächten zu bekämpfen – Tierliebe oder Judenfeindlichkeit? Eine Spurensuche, die unter anderem ins Archiv in Aarau führt, in ein Tierheim in Untersiggenthal und, zumindest virtuell, bis nach Japan.
Zu Wort kommen unter anderen:
* Thomas Metzger, Historiker und Professor an der PH St. Gallen, mit Forschungsschwerpunkt Antisemitismus und Schweizerische Zeitgeschichte
* Stephan Häsler, ausgebildeter Tierarzt und in den 2000er Jahren als stellvertretender Direktor des damaligen Bundesamtes für Veterinärwesen mit dem Schächtverbot befasst; heute engagiert er sich für die «Schweizerische Vereinigung für Geschichte der Veterinärmedizin»
* Yoko Akiyama, Historikerin und Assistenzprofessorin an der Doshisha Universität in Kyoto, Japan
* Astrid Becker, heutige Präsidentin des Aargauischen Tierschutzvereins
* Laura Bitterli, Doktorandin am Historischen Seminar der Universität Zürich und Co-Projektkoordinatorin von «Ad fontes»
Literatur zum Thema:
* Thomas Metzger (2020): Argumentative Konstruktion von Differenz. Die Schächtverbotsinitiative und die Antiminarettinitiative im Vergleich
* Yoko Akiyama (2019): Das Schächtverbot von 1893 und die Tierschutzvereine. Kulturelle Nationsbildung der Schweiz in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
* Stephan Häsler (2010): Die Entwicklung des Tierschutzes in der Schweiz vom 19. Jahrhundert bis zum Erlass des Tierschutzgesetzes
* Sibylle Horanyi (2004): Das Schächtverbot zwischen Tierschutz und Religionsfreiheit. Eine Güterabwägung und interdisziplinäre Darstellung von Lösungsansätzen
* Pascal Krauthammer (2000): Das Schächtverbot in der Schweiz, 1854-2000, die Schächtfrage zwischen Tierschutz, Politik und Fremdenfeindlichkeit
8/12/2023 • 34 minutes, 38 seconds
Der erste Frauenstreik der Schweiz
Die erste Abstimmung zum Frauenstimmrecht wird 1959 wuchtig abgelehnt. Empört über das Ergebnis, beschliessen die Lehrerinnen des Basler Mädchengymnasiums zu streiken. Der Streik strahlt weit über die Schweiz hinaus und steht am Anfang einer Bewegung, die schliesslich das Frauenstimmrecht erkämpft.
Luciana Thordai-Schweizer hat als junge Lehrerin am Streik teilgenommen. Sie erzählt in der «Zeitblende», wie sie und ihre Mitstreiterinnen damals den Entschluss für den Streik gefasst haben und dabei sogar bereit waren, ihre Arbeitsstelle zu riskieren.
Mit dem Streik brechen die Lehrerinnen gleich mit mehreren gesellschaftlichen Tabus. Frauen gelten in den 1950er Jahren in grossen Teilen der Gesellschaft als politisch unmündig. Frauen, die öffentlich politische Forderungen stellen, seien daher damals etwas Revolutionäres gewesen, sagt die Historikerin Noëmi Crain Merz.
Der Streik läutet aber auch eine neue Phase des Kampfes für die Einführung des Frauenstimmrechts ein. Die sogenannte zweite Frauenbewegung unterscheidet sich stark von der bisherigen Bewegung. Die neue Generation ist kompromissloser und konfrontativer.
Der Basler Lehrerinnenstreik von 1959 kann auch als Ursprung der modernen, landesweiten Frauenstreiks angesehen werden. Erstmals streiken in der Schweiz Frauen für Frauenrechte – statt, wie damals üblich, aufgrund arbeitsrechtlicher Forderungen.
7/29/2023 • 29 minutes, 55 seconds
Zweifel säen - die Geschichte der Klimaleugner
Je grösser die Einigkeit zum Klimawandel in der Wissenschaft, desto aggressiver die Gegenkampagne der Klimaspektiker. Mit viel Geld säten Erdölkonzerne wie Exxon ab den 1990er Jahren Zweifel daran, dass der Klimawandel menschgemacht sei. Zweifel, die bis heute – auch in der Schweiz - weiterleben.
Die Harvard-Wissenschaftshistorikerin Naomi Oreskes ist eine der profundesten Kennerinnen der Geschichte der Klimaleugnung. Sie erklärt in der «Zeitblende», wie Kampagnen der Klimaleugner funktionieren und wie sie die Wissenschaft verändert haben.
Einer von vielen Klimawissenschaftlern, die direkt angegriffen wurden von der Erdölindustrie, war Ben Santer. Der Klimamodellierer arbeitete an dem Bericht des Weltklimarats der UNO mit, der 1995 erstmals festhielt, dass der Klimawandel menschgemacht sei. In der «Zeitblende» erläutert er, wie diese Feststellung sein Leben veränderte.
7/15/2023 • 25 minutes, 50 seconds
Frauenfussball in der Schweiz: Der lange Kampf um Anerkennung
Frauen, die auf dem Rasen kicken: 1923 sind sie in der Schweiz ein erstes Mal aufgefallen. 100 Jahre später steht die Nati vor ihrer zweiten WM. Dazwischen liegt ein über weite Strecken steiniger Weg. Die Frauen stossen auf Widerstand und Gespötte.
«Ich hätte in der Schule sicher nicht herumerzählt, dass ich Fussball spiele», sagt Trudy Streit. Die heute 70-Jährige hat 1968 den ersten offiziellen Damenfussballclub der Schweiz mitgegründet, ihre Leidenschaft aber nie an die grosse Glocke gehängt. Weil es immer wieder abschätzige Sprüche gab: «Einer hat regelmässig unsere Matches besucht. Nicht wegen des Fussballs, sondern wegen der Brüste, die so schön hüpften».
Im Fussball hatten es die Frauen besonders schwer, sich durchzusetzen. «Weil er eine traditionelle Männerdomäne war», so Historikerin und Sportpädagogin Marianne Meier. «Da wurde mit aller Kraft versucht, die zu verteidigen». Ähnlich hätten es auch die ersten Frauen im Militär oder in der Politik erlebt.
Wie die Frauen um Anerkennung kämpfen mussten und warum sich die Männer so schwer taten mit Frauenfussball. Eine Fussball-Pionierin erinnert sich, eine Historikerin und Sportpädagogin ordnet ein – in der Zeitblende.
7/1/2023 • 26 minutes, 33 seconds
Der Waadtländer Freiheitskämpfer Major Davel: Volk sucht Held
Er soll der erste gewesen sein, der das Waadtland aus der Berner Herrschaft befreien wollte: Major Davel. Vor 300 Jahren las er in Lausanne sein Manifest. Das kostete ihn den Kopf. Abgeschlagen von den eigenen Leuten.
Major Davel ist der Wilhelm Tell der Waadt. Aber er eignet sich nur bedingt zum Volkshelden. Vor allem, weil er von den eigenen Leuten an die Berner verraten, verurteilt und geköpft wurde.
Major Davel wurde im Laufe der Zeit vom Verräter zum Volkshelden. Diese Zeitblende zeichnet diesen Weg nach. Sie erzählt seine Geschichte und erklärt, warum Major Davel die Waadtländerinnen und Waadtländer bis heute vor Probleme stellt.
Die Zeitblende geht auf einen Stadtspaziergang mit den Historikern Béatrice Lovis und Guillaume Poisson von der Universtität Lausanne. Sie trennen den Mythos von den Fakten.
6/17/2023 • 24 minutes, 1 second
Aufstieg und Fall der Welschenrohrer Uhrenindustrie
Welschenrohr ist heute ein eher verschlafenes Pendlerdorf im Kanton Solothurn. Doch einst war es der Sitz von mehreren Uhrenbetrieben. Ein Grossteil der Männer in Welschenrohr arbeitete für eine Firma, für einen Mann. Josef Gunzinger hiess er und er hatte Welschenrohr fest im Griff.
Was 1900 mit einem Uhrenatelier begann, wurde im Laufe der Jahrezehnte zur Uhrenfabrik Technos. Das Unternehmen verkaufte seine Taschen- und Armbanduhren weltweit, besonders erfolreich war man in Brasilien und Japan. Auf dem Höhepunkt beschäftigte Technos 600 Arbeiter.
Gründer und Chef von Technos war Josef Gunzinger (1892-1970). Der FDPler hatte die schönsten Autos im Dorf, ein Ferienhaus am Thunersee und er liess auch mal kontrollieren, ob seine Arbeiter «korrekt» abstimmten.
Nach dem Tod des Patriarchen kollabierte die Welschenrohrer Uhrenindustrie in den 1970er-Jahren und die Fabriken mussten schliessen. Der Theologe und Historiker Urban Fink spricht in dieser Zeitblende von einem Trauma, das Welschenrohr bis heute nicht überwunden habe.
Lange Zeit war man in Welschenrohr nicht wirklich stolz auf diese goldenen Zeiten der Uhrenmacherei, als die Bewohner quasi noch in den Finken zur Arbeit konnten. Das bekam René Allemann zu spüren, als er in Welschenrohr ein Uhrenmuseum gründen wollte. Der Enthusiasmus hielt sich bei den Einheimischen in Grenzen.
Warum platzte der Welschenrohrer Traum vom Industriedorf? Und weshalb schienen die Wenigsten dem einstigen Dorfkönig Gunzinger eine Träne nachzuweinen. Antworten gibt es in dieser Zeitblende.
6/3/2023 • 26 minutes, 34 seconds
Wiederholung: «Die Geschichte einer geraubten Kindheit»
Die Zeitblende zum Knabenheim «auf der Grube» vom November 2022 wird nächste Woche mit dem Berner Radiopreis ausgezeichnet. Aus diesem Anlass wiederholen wir die Sendung. In zwei Wochen erscheint die Zeitblende wieder wie gewohnt mit einer neuen Ausgabe.
Die Jury schreibt: «Die Sendung zeigt aufgrund eindrücklicher Aussagen eines ehemaligen Insassen auf, wie ein zwangsweise fürsorglich Eingewiesener das umstrittene Knabenerziehungsheim "Grube" nahe von Bern erlebt hat. Sabine Gorgé hat die Geschehnisse in der "Grube" über viele Jahre verfolgt und schliesslich auf respektvolle Weise eine berührende Sendung zu einem dunklen Kapitel der Sozialgeschichte gestaltet. Sie fand einen aussagewilligen Zeugen, "dem sie - so die Jury - mit grossem Einfühlungsvermögen und Sensibilität begegnet. Sie gibt ihm Raum und Vertrauen, so dass er den Mut aufbringt, vor Ort über seine schmerzvolle Geschichte offen zu berichten. Der Beitrag macht so das Schicksal des Zeitzeugen für uns nahe erlebbar". Eine Historikerin bettet zudem die Schilderungen in den Kontext der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen ein.»
Quelle: Berner Stiftung für Radio und Fernsehen
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Das Knabenheim «auf der Grube» in Niederwangen bei Bern hätte Buben aus schwierigen Verhältnissen Schutz und Geborgenheit bieten sollen. Das Gegenteil war der Fall. Gewalt und Missbrauch waren jahrzehntelang an der Tagesordnung – nun erzählen Ehemalige ihre Geschichte.
Der heute 59-jährige Heinz Kräuchi erinnert sich an seine Schuljahre in den 1970er Jahren auf der «Grube». Er wurde als Neunjähriger seiner alleinerziehenden Mutter weggenommen, als Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen. Die Berner Vormundschaftsbehörde brachte ihn ins Knabenheim, wo er sieben Jahre lang blieb.
Nun hat Heinz Kräuchi zusammen mit anderen ehemaligen «Gruebe-Buebe», Historikerinnen und Journalisten ein Buch über das Knabenheim «auf der Grube» verfasst – ein erschütterndes Zeitdokument, das ein Schlaglicht auf einen dunklen Punkt der jüngsten Schweizer Sozialgeschichte wirft.
Mitautorin des Buches ist auch die Historikerin Tanja Rietmann. Sie ordnet das Schicksal von Heinz Kräuchi und die Geschehnisse auf der «Grube» in den Kontext der Fremdplatzierungen und der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen im 19. und 20. Jahrhundert ein.
Weitere Informationen:
• Knabenheim "Auf der Grube". 188 Jahre Zwangserziehung. Innenblicke und Aussenblicke. Hier und Jetzt, 2022.
5/20/2023 • 25 minutes, 42 seconds
Adeline Favre: Die Hebamme aus dem Val d'Anniviers
8000 Kindern hat sie geholfen, das Licht der Welt zu erblicken, die Hebamme Adeline Favre. Sie hatte eine wichtige gesellschaftliche Position im Val dAnniviers, kam gleich nach dem Pfarrer und bekam in ihren 50 Berufsjahren hautnah mit, wie sich die Geburtshilfe im 20. Jahrhundert verändert hat.
Die Zeitblende erzählt die Geschichte der Hebamme Adeline Favre; ihre Erfahrungen flossen in den frühen 80er Jahren in das Buch "Ich, Adeline, Hebamme aus dem Val d'Anniviers", das vor kurzem in einer Neuauflage erschienen ist.
Wir reden darüber mit der Historikerin Kristin Hammer, sie ist selber auch Hebamme und unterrichtet an der ZHAW in Winterthur. Sie ordnet ein, wie sich der Alltag der Hebammen im 20. Jahrhundert verändert hat.
Mit dem Arzt und Historiker Prof. Hubert Steinke, Leiter des Medizin-historischen Instituts in Bern beleuchten wir ausserdem das Verhältnis zwischen Ärzten und Hebammen in der Geschichte.
5/6/2023 • 31 minutes, 49 seconds
Holocaust-Überlebende Eva Fahidi: Leben, um zu erzählen
Eva Fahidi hat den Holocaust überlebt. Die heute 97-jährige Ungarin wird 1944 mit ihrer Familie ins KZ Auschwitz-Birkenau transportiert - in Viehwaggons. Kurz nach der Ankunft wird ihre ganze Familie ermordet. 60 Jahre schweigt sie über das Erlebte. Erst mit 78 Jahren beginnt sie zu erzählen.
Eva Fahidi erzählt vom Geruch in Auschwitz, von den körperlichen Strapazen im Arbeitslager Buchenwald.
Sie erzählt von ihren Freundinnen im Konzentrationslager, vom ersten Brot nach der Befreiung durch die Alliierten und von der Unmöglichkeit im Hass weiterzuleben.
Sie erzählt auch, wieso sie 60 Jahre lang geschwiegen hat zum Holocaust - und wieso sie sich heute verpflichtet fühlt, davon zu berichten.
Die Geschichte von Eva Fahidi ist Thema in dieser Zeitblende. Osteuropa-Korrespondent Roman Fillinger hat sie in ihrem Zuhause im Zentrum von Budapest getroffen.
Literatur:
* Fahidi-Pusztai, Eva (2022): Die Seele der Dinge. 2. Auflage. Berlin: Lukas Verlag.
* Fahidi-Pusztai, Eva (2021): Lieben und geliebt werden. Mein Leben nach Auschwitz-Birkenau. Wiesbaden: Marix-Verlag.
4/22/2023 • 26 minutes, 52 seconds
Augustin Keller: Vom Aargauer Klosterstreit zum Bundesstaat
Der Aargauer Politiker Augustin Keller provozierte den Aargauer Klosterstreit – und damit die gewaltsame Schliessung aller Klöster im Kanton Aargau. Der Klosterstreit war zentral für den Ausbruch des Sonderbundskriegs und für die Gründung des Schweizerischen Bundesstaates vor 175 Jahren.
1841 wurden innerhalb kurzer Zeit alle acht Klöster im Aargau geschlossen und die Mönche und Nonnen verjagt. Verantwortlich für diesen Schlüsselmoment der Schweizer Geschichte war die Brandrede des Aargauer Seminardirektors und liberal-katholischen Politikers Augustin Keller. Er beschuldigte die Klöster, den katholischen Aufstand im Freiamt unterstützt zu haben – ein Vorwurf, den die Geschichtsschreibung nicht belegen kann, wie Historikerin Annina Sandmeier-Walt zeigt, die die Geschichte des Klosters Muri aufarbeitet.
Der Aargauer Klosterstreit führte zu einer religiösen und politischen Radikalisierung der Bevölkerung in der ganzen Schweiz, die schliesslich in einem Bürgerkrieg und dem letzten Krieg auf Schweizer Boden gipfelte, dem Sonderbundskrieg. «Ich bezweifle, dass es ohne die Klosteraufhebung im Aargau zu einem Schweizer Bundesstaat gekommen wäre», ordnet der Historiker und ehemalige Nationalrat Josef Lang ein.
Die Zeitblende beleuchtet die politisch und religiös aufgeladenen 1840er-Jahre, rekonstruiert, wie der Aargauer Klosterstreit die Bevölkerung in der gesamten Eidgenossenschaft gespalten und mobilisiert hat, und welche weitreichenden Folgen dies für die Schweiz hatte. Die zentrale Figur dabei war Augustin Keller, der Revolutionär, dessen grösstes Ziel mit der Gründung des modernen Bundesstaates vor genau vor 175 Jahren in Erfüllung ging.
GesprächspartnerInnen:
Annina Sandmeier-Walt, Historikerin, Autorin Geschichte Kloster Muri
Josef Lang, Historiker
Verwendete/weiterführende Literatur und Quellen:
Leimgruber, Yvonne et al. (Hrsg.): Pädagoge – Politiker – Kirchenreformer. Augustin Keller (1805-1883) und seine Zeit. Beiträge zur Aargauer Geschichte, Bd. 14. Baden, 2005.
Lang, Josef: «Vernünftig und katholisch zugleich». Katholische Radikale und antiklerikale Dynamik. In: Ernst, Andreas et al. (Hrsg.): Revolution und Innovation. Die konfliktreiche Entstehung des schweizerischen Bundesstaates von 1848. S.259-270.
Lang, Josef, Meier, Pirmin: Kulturkampf. Die Schweiz des 19. Jahrhunderts im Spiegel von heute. Baden, 2016.
Sandmeier-Walt, Annina: Die Aufhebung des Klosters Muri 1841. Der Aargauer Klosterstreit in Schweizer Erinnerungskulturen. Murenser Monografien, Bd. 4. Zürich, 2019.
Sandmeier-Walt, Annina: Augustin Keller, sein Andenken und die Aufhebung der aargauischen Klöster 1841. In: Argovia (2016), Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau, Bd. 128, S.125-135.
Hägler, Peter: Die Vertreibung der Murimönche. In: Memorial Muri 1841. Zur aargauischen Klosteraufhebung von 1841. 1991. S.171-204.
Protokoll der Verhandlungen des Grossen Rats des Kantons Aargau vom 13.1.1841. S.9-19.
4/8/2023 • 27 minutes, 21 seconds
Wie Jean Villard Gilles mit seinen Chansons für Freiheit kämpfte
Der Waadtländer Chansonnier Jean Villard Gilles kritisierte mit Liedern wie «Dollar» Gier und Verblendung, stellte sich in seinem Lausanner Cabaret gegen Faschismus und Nationalsozialismus. Und verhalf Edith Piaf mit «Les trois cloches» zu einem Welthit.
Sein Gedicht «La Venoge» über den gleichnamigen Waadtländer Fluss wurde zu so etwas wie waadtländischem Kulturgut. Sein Chanson «Les trois cloches», gesungen von Edith Piaf, machte Weltkarriere.
Doch Jean Villard Gilles, Poet, Schauspieler und Liedermacher aus der Waadt war mehr als ein Lokaldichter. Und auch mehr als ein Komponist populärer französischer Chansons.
Mit Musik, Witz und Ironie gegen den Nationalsozialismus
Jean Villard Gilles war einer, der sich zeitlebens mit den politischen Verwerfungen seiner Zeit auseinandersetzte. Im Frankreich der 1930er Jahre holte er das französische Chanson aus der Ecke der Banalitäten und machte zusammen mit seinem Bühnenpartner Julien Furore: mit satirischen, zuweilen bissigen, gesellschaftskritischen Liedern wie zum Beispiel «Dollar».
Und während des Zweiten Weltkriegs bot er auf der Bühne seines «Cabaret Coup de Soleil» Faschismus und Nationalsozialismus die Stirn.
«Ich war zutiefst davon überzeugt, dass wir die Freiheit verteidigen müssen, um jeden Preis», sagte er einmal in einem Interview über jene Zeit.
Insgesamt fast sechs Jahrzehnte lang stand Jean Villard Gilles auf der Bühne. Die Zeitblende wirft einen Blick auf die ersten knapp 30 Jahre, während derer Aufbruch, Krise und Krieg auch die Karriere des Waadtländer Künstlers prägten, und er Edith Piaf zu einem Welthit verhalf.
Quellen:
* Villard Gilles, Jean: Mon demi-siècle. Payot Verlag. 1954.
* Décotte, Alex: Le Siècle de Gilles. Silva Verlag. 1995.
* Marcadet, Christian: Gilles & Julien : une fulgurante carrière de duettistes dans le Paris des années 30. Revue historique vaudoise. Band 109. 2001.
* Rumpf, Olivier / Perny, Marie: Jean Villard Gilles. Une biographie artistique. Editions de lAire. 2020.
* Originaltöne Jean Villard Gilles: Archiv RTS, Radio Télévision Suisse francophone.
3/25/2023 • 29 minutes, 42 seconds
Hans Kläui: Vom tobenden Faschisten zum angesehenen Historiker
Die Frontenbewegung, das war Faschismus nach Schweizer Art. Ein Knäuel von Gruppierungen, die nach einer autoritären Schweiz strebten. Einer ihrer geistigen Führer war Hans Kläui, der unzählige antisemitische Texte verfasste. Später wurde er trotz der dunklen Vergangenheit zum gefeierten Historiker.
Als Hans Kläui im April 1992 stirbt, trauert die Stadt Winterthur um ihren preisgekrönten Lokalhistoriker und seine Tochter trauert um ihren Vater. Doch, was Elisabeth Schmid im Nachlass ihres Vaters findet, erschüttert sie. Es sind stapelweise Zeitungsartikel mit rassistischem und antisemitischem Inhalt. Geschrieben von ihrem Vater. Die hetzerischen Worte wollen nicht zum liebenswürdigen Mann passen, den sie und ihre Familie gekannt hatten. Und doch steht da sein Name.
Hans Kläui war Mitglied der Nationalen Front und damit Teil der sogenannten Frontenbewegung in den 1930er- und 40er-Jahren. Die Fronten waren ein Knäuel von rechtsextremen Gruppierungen, welche aus der Schweiz einen autoritären Staat nach Vorbild Nazi-Deutschlands oder des faschistischen Italiens machen wollten. Dies in der Zeit der Geistigen Landesverteidigung, als ein Grossteil der Bevölkerung skeptisch war gegenüber jeglichem Einfluss von aussen.
Diese Zeitblende klärt, wie nahe die Frontisten ihrem Ziel kamen und wie Hans Kläui nach dem Krieg trotz seiner Vergangenheit als hetzerischer Faschist zum gefeierten Lokalhistoriker werden konnte. Zu Wort kommen Kläuis Tochter Elisabeth Schmid sowie die beiden Autoren Yves Schumacher und Daniel Gut.
Weiterführende Literatur
* Daniel Gut, Neidkopf. Zur Naturgeschichte des Schweizer Frontisten Hans Kläui – eine literarische Recherche.
* Walter Wolf, Faschismus in der Schweiz. Die Geschichte der Frontenbewegungen in der deutschen Schweiz, 1930–1945.
* Yves H. Schumacher, Nazis! Fascistes! Fascisti. Faschismus in der Schweiz 1918–1945 (Überarbeitete Neuauflage am 15. März 2023).
3/11/2023 • 27 minutes, 59 seconds
Westpakete in die DDR: Versandhandel durch eine Schweizer Firma
Produkte aus dem Westen waren in der DDR gefragt. Verwandte im Westen bestellten deshalb für ihre Liebsten beim Geschenkdienst Genex. Die DDR profitierte von Genex, da sie so an Devisen gelangte. Auch die Schweizer Firma Palatinus GmbH verdiente am Versandhandel - das Geld floss über die Schweiz.
Die Genex-Geschenkkataloge enthielten vom Fresspaket über Autos bis hin zu Einfamilienhäusern alles, was das Herz des DDR-Bürgers begehrte. Bestellt werden konnte nur im Westen, bezahlt werden nur mit Westgeld. So versuchte die DDR an Devisen zu gelangen. Das Geschäft florierte. Bis zu 200 Millionen D-Mark Umsatz machte die Genex jährlich.
Palatinus GmbH: Geldfluss über die Schweiz
Davon profitierte auch die Zürcher Firma Palatinus GmbH. Sie erzielte durch den Versandhandel mit Westpaketen zu Spitzenzeiten einen Umsatz von bis zu 80 Millionen Franken, sagt der Sohn des damaligen Geschäftsführers, Thomas Max Wolfensberger, exklusiv in dieser Zeitblende. Die Palatinus diente als Strohfirma für den Versandhandel - denn der direkte Zahlungsverkehr zwischen der Bundesrepublik und der DDR war stark eingeschränkt. Also nahm das Geld den Umweg über die Schweiz. Die Palatinus GmbH kassierte dabei für jeden Auftrag Provision. Der Aufwand war dabei jedes Mal der Gleiche: Ob nun ein Trabant gekauft wurde oder ein Paket mit westlichen Lebensmitteln.
Der Genex-Katalog: «Made in Switzerland»
Doch nicht nur der Geldtransfer lief über die Schweiz. Die Genex liess auch die Geschenkkataloge über die Palatinus produzieren. So wurden gar Fotoshootings für den Katalog am Zürichsee gemacht und auch der Druck erfolgte in der Schweiz. Mehrere Hunderttausend Exemplare des Katalogs wurden in den Glanzzeiten gedruckt und nach Westdeutschland verschickt.
Zu Gast in dieser Zeitblende:
* Thomas Max Wolfensberger, Sohn des damaligen Geschäftsführers der Palatinus GmbH
* Matthias Judt, freier Wirtschaftshistoriker
* Stefan Wolle, Historiker und wissenschaftlicher Leiter DDR-Museum Berlin
2/25/2023 • 29 minutes, 33 seconds
Nazi-Stein in Chur #2: Sprengen oder erhalten?
Ein Nazi-Denkmal steht mitten in seiner Stadt. Die Vermutung des Churer Stadtpräsidenten: «Man wollte es nach dem Zweiten Weltkrieg nicht aufarbeiten». Was jetzt mit dem Stein – sprengen oder stehen lassen? Und wie präsent waren die Nationalsozialisten in den 1930er-Jahren?
In Teil 2 geht es um den Weckruf eines Churer SP-Nationalrats, um das Zürcher Hallenstadion voll mit Hakenkreuzen und um einen irritierten Churer Stadtpräsidenten, der jetzt ein Problem hat.
Diese Recherche der «Zeitblende» als Doppelfolge in Zusammenarbeit mit SRF investigativ führt zurück in die 1930er-Jahre, als die Schweizer Behörden die Nazis gewähren liessen. Jetzt holt die Vergangenheit Chur ein.
Inputs? Feedback? Unsere E-Mail-Adresse: investigativ@srf.ch
Gesprächspartner:innen:
* Hansmartin Schmid, Historiker, früherer SRF-Journalist und Zeitzeuge
* Bernd Ulrich, Historiker in Berlin
* Fabienne Meyer, Historikerin
* Fritz Gemsemer, Pforzheim
* Sandra Nay, Leiterin Kundendienst Staatsarchiv Graubünden
* Leza Dosch, Kunsthistoriker
* Martin Bucher, Historiker
* Diane Tempel, Sprecherin Volksbund
* Urs Tischhauser, Stadtgärtnerei Chur
* Urs Marti, Stadtpräsident Chur
Literatur:
* Bollier, Peter: Die NSDAP unter dem Alpenfirn. Geschichte einer existenziellen Herausforderung für Davos, Graubünden und die Schweiz, Chur 2016.
* Bucher, Martin J.: Führer, wir stehen zu dir! Die Reichsdeutsche Jugend in der Schweiz, 1931–1945, Zürich 2021.
* Bundi, Martin: Bedrohung, Anpassung und Widerstand – Die Grenzregion Graubünden 1933-1946, Chur 1996.
* Dosch, Leza: Grabdenkmäler für französische und französische Kriegsinternierte in Chur. Bericht und Dokumentation im Auftrag des Gartenbauamts der Stadt Chur, 1998.
* Fuhrmeister, Christian, et al.: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Entwicklungslinien und Probleme, Berlin 2019.
* Inventar von Armee- und Kriegsdenkmälern in der Schweiz, https://www.vtg.admin.ch/de/die-schweizer-armee/geschichte-der-schweizer-armee/inventario.html, Stand: 25. Januar 2023.
* Schmid, Hansmartin: Churer Grabmäler. Was uns die Grab- und Denkmäler der Friedhöfe Daleu und Hof erzählen, Chur 2021.
Archive:
* Archiv des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge
* Politisches Archiv des Auswärtigen Amts
* Stadtarchiv Pforzheim
* Bundesarchiv
* Staatsarchiv Graubünden
* Stadtarchiv Chur
* Gemeindearchive Disentis, Arosa und Savognin
2/11/2023 • 27 minutes, 40 seconds
Nazi-Stein in Chur #1: Vermoost und vergessen
Mitten in Chur steht inkognito ein nationalsozialistisches Denkmal. Das Mini-Mausoleum wurde 1938 auf dem Daleu-Friedhof aufgestellt. Wie kommt ein Nazi-Stein nach Chur? Wieso machten die Nationalsozialisten Propaganda mit toten Soldaten des Ersten Weltkriegs?
In Teil 1 geht es um angebliche Helden, handfeste politische Ziele, um einen Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge und eine mögliche Geheimkammer im Denkmal.
Diese Recherche der «Zeitblende» als Doppelfolge in Zusammenarbeit mit SRF investigativ führt zurück in die 1930er-Jahre, als die Schweizer Behörden die Nazis gewähren liessen. Jetzt holt die Vergangenheit Chur ein.
Inputs? Feedback? Unsere E-Mail-Adresse: investigativ@srf.ch
Gesprächspartner:innen:
* Hansmartin Schmid, Historiker, früherer SRF-Journalist und Zeitzeuge
* Bernd Ulrich, Historiker in Berlin
* Fabienne Meyer, Historikerin
* Fritz Gemsemer, Pforzheim
* Sandra Nay, Leiterin Kundendienst Staatsarchiv Graubünden
* Leza Dosch, Kunsthistoriker
* Martin Bucher, Historiker
* Diane Tempel, Sprecherin Volksbund
* Urs Tischhauser, Stadtgärtnerei Chur
* Urs Marti, Stadtpräsident Chur
Literatur:
* Bollier, Peter: Die NSDAP unter dem Alpenfirn. Geschichte einer existenziellen Herausforderung für Davos, Graubünden und die Schweiz, Chur 2016.
* Bucher, Martin J.: Führer, wir stehen zu dir! Die Reichsdeutsche Jugend in der Schweiz, 1931–1945, Zürich 2021.
* Bundi, Martin: Bedrohung, Anpassung und Widerstand – Die Grenzregion Graubünden 1933-1946, Chur 1996.
* Dosch, Leza: Grabdenkmäler für französische und französische Kriegsinternierte in Chur. Bericht und Dokumentation im Auftrag des Gartenbauamts der Stadt Chur, 1998.
* Fuhrmeister, Christian, et al.: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Entwicklungslinien und Probleme, Berlin 2019.
* Inventar von Armee- und Kriegsdenkmälern in der Schweiz, https://www.vtg.admin.ch/de/die-schweizer-armee/geschichte-der-schweizer-armee/inventario.html, Stand: 25. Januar 2023.
* Schmid, Hansmartin: Churer Grabmäler. Was uns die Grab- und Denkmäler der Friedhöfe Daleu und Hof erzählen, Chur 2021.
Archive:
* Archiv des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge
* Politisches Archiv des Auswärtigen Amts
* Stadtarchiv Pforzheim
* Bundesarchiv
* Staatsarchiv Graubünden
* Stadtarchiv Chur
* Gemeindearchive Disentis, Arosa und Savognin
1/27/2023 • 26 minutes, 2 seconds
Eine PR-Reise ins Land des Erzfeindes
Der Kalte Krieg ist in vollem Gange, als Nikita Chruschtschow 1959 quer durch die USA reist. Dabei trifft er die politischen und wirtschaftlichen Eliten des Landes, aber auch die Prominenz Hollywoods. Sein Ziel: Er will den Amerikanern ein menschliches Bild des Kommunismus präsentieren.
Es ist eine Reise voller Missverständnisse und gegenseitigen Anschuldigungen, bei der es am Ende aber doch zu einer Annäherung kommt. Die Reise markiert den Beginn einer Normalisierung in den Beziehungen der beiden Grossmächten.
Das Zustandekommen der Reise ist eng mit der Person von Nikita Chruschtschow verbunden. Zu Beginn seiner Amtszeit stösst er verschiedene Reformen an. So leitet er die Entstalinisierung ein, gegenüber dem Westen setzt er auf das Konzept der «friedlichen Koexistenz».
Die Reise illustriert einen einmaligen Moment in der Geschichte, als beide Seiten an einer Neuordnung der Beziehungen interessiert waren und die Sowjetunion aufgrund der Reformen von einem Optimismus erfasst wurde, die USA langfristig zu überdauern.
Zu Gast ist Michel Abesser, Osteuropahistoriker an der Universität Freiburg. Er ist spezialisiert auf die Geschichte der Sowjetunion nach 1953 und hat über diese Zeit ein Buch veröffentlicht.
12/17/2022 • 31 minutes, 42 seconds
Der Weg zur modernen Schweiz: Die Geschichte des Bundesrats
Die Schweiz in den 1840er-Jahren ist in einer revolutionären Phase, deren Höhepunkt der Sonderbundskrieg im November 1847 ist. Nur ein Jahr später wird die Schweiz vom Staatenbund zum Bundesstaat, mit Bundesverfassung, Parlament und Bundesrat. Wie die Schweiz zum Bundesrat kam.
Nach dem Sonderbundskrieg 1847 übernehmen die radikalen und liberalen Kräfte die Macht in der Schweiz. Sie haben eine Vision: Sie wollen die Schweiz neu bauen. In Rekordzeit arbeitet eine Revisionskommission eine neue Bundesverfassung aus und ein Parlament wird gewählt. Kurz darauf nimmt das Parlament seine Arbeit auf.
Als die Bundesratswahlen im Herbst 1848 anstehen, werden zwar sieben Männer gewählt. Doch nur einer nimmt die Wahl sofort an. Alle anderen fordern Bedenkzeit oder sind gar nicht anwesend. Auch der erste gewählte Bundesrat, der Zürcher Jonas Furrer, will eigentlich nicht in den Bundesrat. Mit seiner Bedenkzeit versucht er zu erreichen, dass der Standort der Bundesstadt Zürich wird. Dagegen hält der zweite gewählte Bundesrat, der Berner Ulrich Ochsenbein, der ebenfalls Bedenkzeit fordert. Doch der Druck auf Furrer wird zu gross. Er sagt widerwillig zu, wird Bundespräsident - und Bern die neue Bundesstadt.
Gast ist Urs Altermatt, emeritierter Professor für Zeitgeschichte und ehemaliger Rektor der Universität Freiburg. Er hat die Geschichte des Bundesrats in mehreren Büchern aufgearbeitet.
Literaturhinweise:
* Altermatt, Urs (2019): Das Bundesratslexikon. 2. Auflage. Zürich: NZZ Libro.
* Altermatt, Urs (2020): Vom Unruheherd zur stabilen Republik. Der schweizerische Bundesrat 1848-1875. Teamplayer, Schattenkönige und Sesselkleber.
* Holenstein, Rolf (2009): Ochsenbein. Erfinder der modernen Schweiz. Basel: Echtzeit Verlag.
* Holenstein, Rolf (2018): Stunde Null. Die Neuerfindung der Schweiz 1848. Die Privatprotokolle und Geheimberichte. Basel: Echtzeit Verlag.
* Vatter, Adrian (2020): Der Bundesrat. Die Schweizer Regierung. Zürich: NZZ Libro.
12/3/2022 • 32 minutes, 33 seconds
Held oder Teufel – die Schweiz und der Kommunist Fritz Platten
Ohne ihn wäre es vielleicht nie zur Russischen Oktoberrevolution gekommen - der Schweizer Kommunist Fritz Platten organisierte 1917 den Zug, der Lenin von Zürich nach Petrograd brachte. Später wanderte Platten in die Sowjetunion aus, wo er schliesslich in einem Arbeitslager Stalins ums Leben kam.
«Es wäre nicht mehr mein Weg – so ideologisch, so fundamental, die Augen vor allem verschliessen.» Das sagt Bettina Kleiner Weibel über ihren Grossonkel Fritz Platten. Der Mann, der bis zum Schluss an den Sozialismus glaubte, hat Bettina Kleiner-Weibels Leben geprägt und das ihrer Familie. Und in der Schweizer Öffentlichkeit war er für die einen ein Held, für die andern der rote Teufel.
Zusammen mit der Historikerin Rhea Rieben beleuchtet die «Zeitblende» das Leben des Schweizer Kommunisten Fritz Platten und erklärt, wie dieser als Projektionsfläche für Freund und Feind diente - und Jahrzehnte nach seinem Tod noch immer dient. «Die Geschichte von Fritz Platten erzählt eine Schweizer Kommunismus-Geschichte und wie die Schweiz mit linkem Gedankengut umgegangen ist», erkärt Rhea Rieben. Sie ist überzeugt, dass diese Geschichte differenziert aufgearbeitet werden müsste.
11/19/2022 • 26 minutes, 23 seconds
Die Geschichte einer geraubten Kindheit
Das Knabenheim «auf der Grube» in Niederwangen bei Bern hätte Buben aus schwierigen Verhältnissen Schutz und Geborgenheit bieten sollen. Das Gegenteil war der Fall. Gewalt und Missbrauch waren jahrzehntelang an der Tagesordnung – nun erzählen Ehemalige ihre Geschichte.
Der heute 59-jährige Heinz Kräuchi erinnert sich an seine Schuljahre in den 1970er Jahren auf der «Grube». Er wurde als Neunjähriger seiner alleinerziehenden Mutter weggenommen, als Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen. Die Berner Vormundschaftsbehörde brachte ihn ins Knabenheim, wo er sieben Jahre lang blieb.
Nun hat Heinz Kräuchi zusammen mit anderen ehemaligen «Gruebe-Buebe», Historikerinnen und Journalisten ein Buch über das Knabenheim «auf der Grube» verfasst – ein erschütterndes Zeitdokument, das ein Schlaglicht auf einen dunklen Punkt der jüngsten Schweizer Sozialgeschichte wirft.
Mitautorin des Buches ist auch die Historikerin Tanja Rietmann. Sie ordnet das Schicksal von Heinz Kräuchi und die Geschehnisse auf der «Grube» in den Kontext der Fremdplatzierungen und der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen im 19. und 20. Jahrhundert ein.
Weitere Informationen:
• Knabenheim "Auf der Grube". 188 Jahre Zwangserziehung. Innenblicke und Aussenblicke. Hier und Jetzt, 2022.
11/5/2022 • 27 minutes, 18 seconds
Grimm-Hoffmann-Affäre: Wie der mächtigste Bundesrat stürzte
Im Frühling 1917 will Bundesrat Arthur Hoffmann ein Friedensabkommen zwischen den Weltkriegsparteien Russland und Deutschland einfädeln. Weil die chiffrierten Telegramme geleakt werden, scheitert die Aktion und Hoffmann muss zurücktreten.
Die Schweiz ist im Ersten Weltkrieg tief gespalten: Die Deutschschweiz fiebert mit dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn, die Westschweiz ist Frankreich verbunden, und das Tessin neigt Italien zu. Die politische Neutralität ist deshalb nicht nur aussenpolitische Maxime – sie soll die Schweiz auch im Innern zusammenhalten. Bundesrat Arthur Hoffmann verbürgt sich als Aussenminister dafür. Das politische Ausnahmetalent gibt offiziell eine strikte Linie vor.
Als Alphatier im Bundesrat, vom Parlament ausgestattet mit Sondervollmachten und einem «unbegrenzten Kredit», sei Hoffmann der bisher mächtigste Bundesrat aller Zeiten gewesen, erklärt der Biograf und ehemalige Diplomat Paul Widmer. Aber Hoffmann habe seine Grenzen nicht erkannt. Widmer analysiert in der Zeitblende die verdeckten Vermittlungsversuche Hoffmanns, die ihn letztlich auch das Amt gekostet haben.
Weiterführende Literatur:
- Widmer, Paul: Bundesrat Arthur Hoffmann. Aufstieg und Fall. Zürich, NZZ Libro, 2017.
10/22/2022 • 32 minutes, 50 seconds
60 Jahre Autobahn: vom Nationalstolz zum Politikum
Mit Blumen, Fahnen und Trachtenfrauen wurde 1962 das erste Stück Nationalstrasse eröffnet, die Grauholzautobahn. Die Begeisterung war riesig: Familien veranstalteten Ausfahrten zu neueröffneten Autobahnstücken, Wohnungen mit Blick auf eine der Nationalstrassen liessen sich besonders teuer vermieten.
Erst in den 1970er-Jahren wurden kritische Stimmen laut: Landschaftsschützer Franz Weber war einer der ersten und schärfsten Kritiker des Autobahnbaus. Er engagierte sich für verträglichere Bauprojekte und für mehr Mitsprachemöglichkeiten der Betroffenen. Ein Engagement nicht ohne Wirkung, wie Verkehrshistoriker Ueli Haefeli in der Zeitblende bilanziert.
Heute hat die Schweiz eines der dichtesten Autobahnnetze der Welt. Die «Zeitblende» beleuchtet, wie die Schweiz zu diesem Netz gekommen ist und wer die Akteure waren. Was man sich von der Autobahn versprochen hatte, und was sie gehalten hat.
GesprächspartnerInnen:
Ueli Haefeli, Professor für Verkehrs- und Mobilitätsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts an der Universität Bern und Verkehrswissenschaftler beim Forschungsinstitut Interface in Luzern.
Vera Weber, Präsidentin der Fondation Franz Weber, Tochter von Landschaftsschützer Franz Weber.
Verwendete/Weiterführende Literatur und Quellen:
Haefeli, Ueli: Mobilität im Alltag in der Schweiz seit dem 19. Jahrhundert. Unterwegs sein können, wollen und müssen. Verkehrsgeschichte Schweiz, Bd. 4. Zürich, 2022.
Haefeli, Ueli: Umwelt, Raum, Verkehr. In: Patrick Halbeisen, Margrit Müller, Béatrice Veyrassat (Hrsg.): Wirtschaftsgeschichte der Schweiz im 20. Jahrhundert. Basel, 2012. S. 703-752.
Heller, Martin, Volk, Andreas (Hrsg.): Die Schweizer Autobahn. Publikation zur Ausstellung «Die Schweizer Autobahn», Museum für Gestaltung Zürich. Zürich, 1999.
Weber, Franz: Die gerettete Landschaft. Wie ein Einzelner der Zerstörung Einhalt gebieten kann. München, 1978.
Debatten von National- und Ständerat: Im Amtlichen Bulletin, über die Online-Amtsdruckschriften des Schweizerischen Bundesarchivs.
Verwendete Musikstücke:
N1, Toni Vescoli
In my merry Oldsmobile, Jean Goldkette and His Orchestra (Gus Edwards)
Schorschl ach kauf' mir doch ein Automobil, Die Rixdorfer Sänger
Little Deuce Coupe, The Beach Boys
I wett, i hätt es Auto, Gesangtrio Huber
Laser Party, Baby Jail
Chli fahre, Dodo Hug
10/8/2022 • 30 minutes, 29 seconds
Otto Anner: Ein Schweizer im Amerikanischen Bürgerkrieg
«Freiheit und Sklaverei können nie miteinander bestehen», ist im Tagebuch von Otto Anner zu lesen. Er war einer von Tausenden von Schweizern, die im Amerikanischen Bürgerkrieg kämpften. Sie wussten nicht, auf was sie sich einliessen.
Der Amerikanische «Civil War» von 1861 bis 1865 gilt als der erste moderne Krieg. Er war ein Vorbote für die Schrecken des 20. Jahrhunderts: Grabenkämpfe, das Repetiergewehr, die Eisenbahn und sogar U-Boote kamen zum Einsatz. Auf beiden Seiten wurden eine Unmenge an Soldaten rekrutiert, Hunderttausende von ihnen starben.
Auch mindestens 6000 Schweizer kämpften mit. Sie waren in die USA ausgewandert, um Arbeit zu finden und fanden diese einzig in der Armee. Einer von ihnen kommt in dieser Zeitblende dank seiner schriftlichen Nachlässe zu Wort: Der Soldat Otto Anner aus dem aargauischen Baden.
Weiterführende Literatur:
Hutson James H., The Sister Republics. Die Schweiz und die Vereinigten Staaten von Amerika.
McPherson James M., Für die Freiheit sterben. Die Geschichte des amerikanischen Bürgerkriegs.
Sautter Udo, Der Amerikanische Bürgerkrieg. 1861–1865.
Sulser Christoph, Die Erlebnisse von Otto Anner während des amerikanischen Bürgerkriegs 1851–1864, Lizentiatsarbeit.
9/24/2022 • 25 minutes, 38 seconds
Besetzung der polnischen Botschaft in Bern
Am 6. September 1982 besetzten vier Männer die polnische Botschaft in Bern. Nach drei Tagen konnte die Botschaft gewaltsam geräumt werden - ohne Tote und Verletzte. Jahre später zeigte sich: Die Schweiz nutzte die Gelegenheit, um aus der Botschaft Akten zu entwenden.
Die Geiselnahme wurde weltweit beachtet, das Medieninteresse war enorm. Der Ausgang ungewiss. Ein Sonderstab entschied rasch: Die Geiselnahme kann wohl nur gewaltsam enden. Tagelang bereitet sich die Berner Polizei vor. Der Sturm der Botschaft gelingt, die Geiselnehmer werden verhaftet und verurteilt. Jahrzehnte später kommt heraus: Die Bundesbeamten nutzten die Gelegenheit, um geheimes Material aus der Botschaft zu kopieren. Darunter: Unterlagen zu Schweizer Militärinfrastruktur, welche durch die Polen ausspioniert wurde. Das macht die SonntagsZeitung 2013 publik .
In der Zeitblende kommt Benno Schneider zu Wort – er war damals Generalsekretär des Justiz- und Polizeidepartements unter Bundesrat Kurt Furgler und hat den Sonderstab Geiselnahme geleitet. Historiker Peter Collmer ordnet die Geschehnisse rund um das Kriegsrecht in Polen ein, welches zu dieser Zeit eingeführt worden war.
9/10/2022 • 32 minutes, 39 seconds
Matthäus Schiner: Vom Geissbub zum mächtigen Kardinal
Der Walliser Matthäus Schiner hat eine beachtliche Karriere hingelegt: Geboren um 1465 im Walliser Ort Mühlebach, stieg der brillante Stratege auf zum Diplomaten und Kardinal, zum Berater von Papst und Kaiser. Der Machtmensch und umstrittene Kriegsfürst hatte aussergewöhnliche Begabungen.
Wie kann es sein, dass diesen europäischen Fädenzieher ausserhalb des Kantons Wallis kaum jemand kennt und selbst in seiner Heimat etwas vergessen wurde?
Die Erinnerung an den «Global Player Matthäus Schiner» gelte es wiederzuentdecken, sagt Volker Reinhardt, Professor für Allgemeine und Schweizer Geschichte an der Universität Freiburg i.U. Schiner habe eine Schlüsselrolle in der europäischen Politik um 1510 gespielt. Er ist das Gesicht der Schlacht von Marignano, war befreundet mit dem Reformator Huldrych Zwingli, wehrte sich gegen die Reformation.
Carmen Werner und Hermann Anthamatten haben zum 500. Todestag Schiners ein Theaterstück geschrieben und führten beim grossen Freilichttheater «Mensch Schiner» in Ernen auch Regie.
Mit den drei Persönlichkeiten schaut die SRF-Zeitblende auf den Menschen Schiner und dessen Leben und Wirken zurück.
8/27/2022 • 32 minutes, 19 seconds
Alexander von Humboldt und seine Schweizer Prägung
Der deutsche Naturforscher Alexander von Humboldt wird dank seiner Reise durch Lateinamerika (1799-1804) weltberühmt. Er entdeckt die Vegetationszonen und begründet die Pflanzengeografie. Seine Reise ist auch dank Hilfe aus der Schweiz möglich. Diese Zeitblende schildert die Hintergründe
Gesprächspartner:
Oliver Lubrich, Professor für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Bern
Joachim Eibach, Professor für Neuere und Neuste Geschichte an der Universität Bern.
In Zusammenarbeit mit den Schweizerischen Geschichtstagen.
Verwendete Literatur:
Ette, Ottmar (Hg.) (2018): Alexander von Humboldt Handbuch. Leben - Werk - Wirkung. Stuttgart: J. B. Metzler.
Ette, Ottmar: Alexander von Humboldt-Chronologie. In: edition humboldt digital. Berlin: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. URL: http://editino-humboldt.de
Jahn, Ilse & Lange, Fritz G. (1973): Die Jugendbriefe Alexander von Humboldts: 1787-1799. Berlin: Akademie-Verlag.
Lubrich, Oliver (2022): Humboldt oder wie das Reisen das Denken verändert. Berlin: Matthes & Seitz.
Lubrich, Oliver & Nehrlich, Thomas: Alexander von Humboldt in Bern. Bern: Universität Bern. URL: https://humboldt.unibe.ch/
Moheit, Ulrike (1993): Alexander von Humboldt. Briefe aus Amerika. 1799-1804. Berlin: Akademie-Verlag.
Wulff, Andrea (2015): Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur. 4. Aufl. München: C. Bertelsmann Verlag.
6/18/2022 • 32 minutes, 28 seconds
Die Geburtsstunde des Euros
Der Euro sollte die EU zusammenschweissen. Vor 20 Jahren wurde der neue Geldschein in zwölf Ländern in Europa eingeführt. Die Euphorie war riesig. Doch schon bald tauchten die ersten Probleme am Horizont auf.
1998 sprach der damalige deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl von einer der «wichtigsten Entscheidungen des Jahrhunderts». Heute ist von dieser Euro-Euphorie übriggeblieben.
Die Zeitblende von SRF4News blickt zusammen mit dem Ökonomen Oliver Landmann zurück auf die Geburtsstunde des Euros und die Krisenjahre, die folgten. Und wir fragen nach der Zukunft dieser Währung, die Europa hätte näher zusammenbringen sollen.
6/4/2022 • 25 minutes, 13 seconds
Max Emden und die Brissago-Inseln
1934 liegen sich die Tessiner Behörden und Bundesbern in den Haaren. Der reiche Besitzer der Brissago-Inseln im Lago Maggiore soll eingebürgert werden. Für ihn spricht: sein Geld – dagegen: die Angst vor Überfremdung, die jüdische Familiengeschichte. Am Ende müssen die Emdens die Inseln verkaufen.
Der deutsche Millionär Max Emden kauft sich in den 1920er-Jahren die Inseln von Brissago im Tessiner Teil des Lago Maggiore – heute ein beliebtes Ausflugsziel. Er baut sie luxuriös aus, mit einem Römischen Bad und einem grossen Bootshaus. Im Dach der grosszügigen Villa steht bis heute das Inselmotto: «Auch Leben ist eine Kunst.»
Vom Reichtum wollen auch die Tessiner Gemeinden profitieren. In der Einbürgerungsakte Emdens, aus der im Rahmen dieser Zeitblende erstmals zitiert wird, heisst es: «Im Hinblick auf eine zu erwartende fette Erbschaftssteuer» habe man Emden im Tessin die Einbürgerung angeboten. Aus Bern hingegen kommt Widerstand, aus Angst vor einer drohenden Überfremdung. Der Fall zeige exemplarisch die gegensätzlichen Interessen in der Schweizer Migrationspolitik dieser Zeit, sagt Christin Achermann, Professorin für Migration, Recht und Gesellschaft an der Universität Neuenburg. «Es gab handfeste Interessen, dass diese Personen investieren würden.» Das tut auch Emden.
1934 wird Max Emden eingebürgert, sein Sohn Hans Erich hingegen erhält keinen Schweizer Pass. Als die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht kommen, enteignen sie den Familienbesitz der Emdens, bürgern Hans Erich aus. Als das Geld der Familie zur Neige geht und der Vater 1940 im Sterben liegt, darf Hans Erich Emden für zwei Wochen in die Schweiz reisen. Dann muss er sich nach Südamerika retten. «Er war in riesiger Not und es wäre wirklich hilfreich gewesen, wenn die Schweiz da ihre Hand ausgestreckt hätte», sagt Maeva Emden, die Urenkelin des Millionärs von den Brissago-Inseln.
In der Folge verkauft die Familie die Inseln. Heute kritisiert sie, Kanton, Gemeinden sowie Heimat- und Naturschutz hätten den Preis gedrückt, um selber günstig kaufen zu können. Auch deshalb sind die Inseln heute für die Bevölkerung zugänglich. Eine Entschädigung will die Familie nicht – «es geht um die Erinnerung», sagt Maeva Emden. Sie fordert etwa, dass auf der Insel ein Raum eingerichtet wird, in dem die Geschichte des Ortes dokumentiert wird.
Die Zeitblende wagt eine Annäherung an diese Geschichte.
5/21/2022 • 30 minutes, 46 seconds
Wie das AKW Graben verhindert wurde
In Graben, an der Aare im Berner Oberaargau hätte das grösste AKW der Schweiz gebaut werden sollen. Doch die Menschen in der Region wehrten sich dagegen – unter anderem mit einem dreitägigen Festival im August 1977 – dem Grabenfest.
In Graben an der Aare im Oberaargau wollte die BKW ab 1966 ein Atomkraftwerk bauen. Mit vorgesehenen 1140 MW wäre es das Grösste der Schweiz geworden. Doch das AKW wurde nie gebaut.
Denn in der ländlichen, konservativ geprägten Gegend formierte sich der Widerstand. Die GAG wurde gegründet – die gewaltfreie Aktion Graben. Die Aktivistinnen und Aktivisten der GAG mobilisierten die Menschen der Region gegen das AKW.
Ein Höhepunkt des Widerstandes war das Grabenfest, wo sich im August 1977 mehrere tausend Menschen zu einem dreitägigen Fest gegen das geplante AKW versammelten.
Wir sprechen mit Menschen aus der Region, die den Widerstand in der Region weckten. Was tat die GAG, warum wurde sie für ihre Aktionen fichiert und was führte dazu, dass die BKW die weit fortgeschrittenen Baupläne schliesslich fallen liess? Zwei Zeitzeugen, ehemalige Mitglieder der GAG, blicken zurück. Historiker Michael Fischer ordnet die Geschehnisse in Graben in den nationalen Kontext ein.
Weiterführende Quellen und Literatur:
Bärtschi, Ruedi: Ein Atomkraftwerk, das nie gebaut wurde – der Kampf gegen das AKW Graben, in: Jahrbuch des Oberaargaus 2008, S. 223-257.
Fischer, Michael: Atomfieber – eine Geschichte der Atomenergie in der Schweiz. Hier und Jetzt Verlag, 2019.
Akten zur GAG im bernischen Staatsarchiv.
5/7/2022 • 24 minutes, 34 seconds
Arthur Harris: Der Mann, der Deutschlands Städte verwüstete
Mit seinen Flächenbombardementen legte er eine deutsche Stadt nach der anderen in Schutt und Asche: Arthur «Bomber» Harris. Er kommandierte im Zweiten Weltkrieg die britischen Bomberstaffeln. Heute ist er eine der kontroverstesten Figuren des Krieges.
Arthur Harris sah mit eigenen Augen, wie deutsche Bomber englische Städte zerstörten und zehntausende zivile Opfer verursachten. Die Deutschen hätten Wind gesät und würden Sturm ernten, versprach er. Und er hielt Wort: Bis kurz vor Kriegsende zerstörte Arthur Harris mit immer verheerenderen Angriffen deutsche Industrie-Städte. Seine Art der Bombardierung war darauf ausgelegt, ganze Stadtkerne und nicht einzelne Industrieanlagen zu treffen. Heute ist Arthur Harris eine höchst umstrittene Figur. Er wurde zum Symbol für einen Krieg, der sich gezielt auch gegen die Zivilbevölkerung richtete.
In der Zeitblende kommt der renommierte englische Weltkriegshistoriker Richard Overy zu Wort. Er beleuchtet Harris als Person, seine Motivation und seine umstrittene Strategie.
Johannes Schütz, Historiker in Dresden, erklärt wie der wohl berüchtigtste Angriff von Arthur Harris, jener auf Dresden, von Anfang an von Nazis und Rechtsextremen instrumentalisiert wurde.
4/23/2022 • 28 minutes, 52 seconds
Ötzi: Der Mann aus dem Eis als Weckruf
Vor dreissig Jahren fanden Bergsteiger in den Südtiroler Alpen eine Leiche, die - wie sich bald herausstellte - über 5000 Jahre alt war. Ein sensationeller Fund für die Archäologie, aber auch ein Weckruf, in der Klima-Geschichte. Denn: ohne Klimaerwärmung wäre Ötzi nicht gefunden worden.
In den letzten 30 Jahren haben Fachwelt und Öffentlichkeit vor allem über die Todesursache des Mannes im Eis gerätselt. Klima-Historiker Christian Pfister und Klimatologe Heinz Wanner sehen im Fund vor allem einen Weckruf, der bisher allerdings kaum gehört wurde. Warum das so ist, weshalb der Fund des Mannes aus dem Eis ein grosser Zufall ist und welche Rolle dabei die Klimageschichte spielt. Um diese Fragen dreht sich diese Zeitblende.
4/9/2022 • 24 minutes, 58 seconds
Fremdenhass und versteckte Kinder: das Saisonnierstatut
«Man hat Arbeitskräfte gerufen, und es kommen Menschen.» Das schrieb der Schriftsteller Max Frisch 1965. Gemeint waren die vielen Saisonniers, vor allem aus Italien, die als billige Arbeiterinnen und Arbeiter gefragt waren. Doch die strengen Regeln des Saisonnierstatuts sorgten für viel Leid.
Die saisonalen Arbeitskräfte arbeiteten in der Industrie, im Tourismus, auf dem Bau. Integration war nicht gefragt, denn schliesslich sollten die Saisonniers nach neun Monaten, am Ende der Saison, wieder ausreisen.
Die strengen Regeln des Saisonnierstatuts rissen Familien auseinander. Oder sorgten dafür, dass jene, die die Trennung nicht aushielten, ihre Kinder bei sich in der Schweiz versteckten. Die Schweizer Bevölkerung begegnete den «Tschinggen» mit Misstrauen. Die Angst vor der Überfremdung der Schweiz prägte den politischen Diskurs über Jahrzehnte.
Zwar kam mit der Personenfreizügigkeit vor 20 Jahren das Ende des Saisonnierstatuts. Aber es wirkt bis heute nach: politisch und kulturell.
3/26/2022 • 25 minutes, 7 seconds
Kapitalisten, Kinderarbeit und Kontrolle – Fabrikgesetz von 1877
Die Arbeitsbedingungen in den Schweizer Fabriken des 19. Jahrhunderts waren katastrophal. Von der rasanten Industrialisierung profitierten ein paar wenige Kapitalisten – auf dem Buckel der Arbeiterschaft. Dieser Ausbeutung stellte der Bund das erste Fabrikgesetz entgegen. Es veränderte die Schweiz.
Die ersten Industriellen der Schweiz konnten die Regeln in ihren Fabriken praktisch selbst festlegen, der ungebremste Wirtschaftsliberalismus liess ihnen freie Hand. Dies führte zu unhaltbaren Zuständen: Kinderarbeit, konstante Verletzungsgefahr und 15-Stunden-Tage waren die Norm. Der Leidensdruck wurde so gross, dass der junge Bundesstaat eingreifen musste und im Jahr 1877 das erste Fabrikgesetz des Landes erliess. Es bereitete den Boden für den Schweizer Sozialstaat, wie wir ihn heute kennen.
Wir hören von einem Schweizer, der als Kind in einer Aargauer Fabrik schuftete und seine Erfahrungen niederschrieb. Zudem kommen zu Wort: Nora Baur, Direktorin des Museums Neuthal für Textil- und Industriekultur, sowie der Historiker Martin Lengwiler.
Weiterführende Literatur:
* Bundesamt für Sozialversicherungen, Geschichte der sozialen Sicherheit in der Schweiz
* Dällenbach Heinz: Kantone, Bund und Fabrikgesetzgebung
* Degen Bernhard (et al.): Vom Wert der Arbeit. Schweizer Gewerkschaften – Geschichte und Geschichten
* Schweizerisches Sozialarchiv (Hg.): Arbeitsalltag und Betriebsleben. Zur Geschichte industrieller Arbeits- und Lebensverhältnisse in der Schweiz
* Tschudi Hans Peter: Geschichte des schweizerischen Arbeitsrechts
3/12/2022 • 24 minutes, 55 seconds
Ein Walliser wird zum Star im Dritten Reich
Er, ein gefeierter Nazipilot - sie, seine Schwester: Franz und Emma von Werra. Als Kinder werden sie aus einer verarmten Walliser Adelsfamilie gerissen und nach Deutschland gebracht. Sie wachsen auf, ohne zu wissen, woher sie stammen. Bis sie ihr Geheimnis erfahren.
«Es ist eine Familiengeschichte, die niemanden kalt lässt», sagt der Historiker Wilfried Meichtry, der die Geschichte der Familie von Werra aus der Walliser Gemeinde Leuk erforscht und das Buch "Du und ich, ewig eins: das Schicksal der Geschwister von Werra" geschrieben hat.
Es ist eine Geschichte rund um aristokratischen Hochmut, Armut, katholische Glaubenswelt, sexueller Missbrauch und den Einfluss des Nationalsozialismus.
2/26/2022 • 34 minutes, 10 seconds
James Baldwin – ein Fremder in Leukerbad
James Baldwin war 27 Jahre alt und ein angehender Schriftsteller, als er 1951 nach Leukerbad kam. Und er war schwarz. Der US-Autor aus Harlem beschreibt in seinem Essay «Fremder im Dorf» eindrücklich, wie die Walliser auf ihn reagierten.
Was brachte den US-Schriftsteller ins Wallis? Wie hat er als schwarzer Mann vor rund 70 Jahren Rassismus in der Schweiz erlebt? Und welche Bedeutung haben seine Überlegungen heute?
Durch diese Zeitblende begleiten die Kulturwissenschaftlerin Jovita dos Santos Pinto und die Künstlerin Sasha Huber.
2/12/2022 • 25 minutes, 49 seconds
Wie ein indischer Soldat im Zweiten Weltkrieg nach Adelboden kam
Ein Foto eines indischen Soldaten vor der Adelbodner Bergkulisse - einem Historiker kommt das seltsam vor. Diese Zeitblende geht der Geschichte von Harbakhash Singh nach. Ihm, der als indischer Soldat im Schatten der reichen Amerikaner steht, die in Adelboden in bleibender Erinnerung blieben.
Im Zweiten Weltkrieg waren über 100'000 Armeeangehörige aus aller Welt in der Schweiz interniert. Bekannt sind vor allem die Polen und die Amerikaner. Letztere hinterliessen in Adelboden bleibende Erinnerungen. Der Fund des Fotos eines indischen Soldaten im Ortsarchiv erscheint dabei aussergewöhnlich. Niemand kann sich wirklich an indische Soldaten erninern. Thomas Schmid, der das Foto entdeckt hat, kann sich darauf auch nicht wirklich einen Reim machen. Diese Zeitblende verfolgt die Spur des indischen Gefreiten.
1/29/2022 • 29 minutes, 47 seconds
Kapodistrias – der griechische Schutzengel der Schweiz
1813 ist die Schweiz tief gespalten und steht am Rande eines Bürgerkriegs. Ausgerechnet ein Grieche soll der Schweiz zur Hilfe eilen: Ioannis Kapodistrias. Wer war er? Weshalb hat er sich für die Schweiz eingesetzt? Was hat er bewirkt? Die Zeitblende geht auf Spurensuche.
Die französischen Truppen haben sich zurückgezogen – Napoleon steht vor der Niederlage. Die Zeiten des inneren Friedens in der Schweiz sind vorbei. Sie ist ein Spielball der Grossmächte, die Frankreich besiegt haben. Russland hat die Vision einer neutralen und friedlichen Schweiz als Pufferzone mitten in Europa.
Zar Alexander I. schickt 1813 Ioannis Kapodistrias als Gesandten in die Schweiz. Kapodistrias war ein brillanter Diplomat und Vermittler. Er verhilft der Schweiz zum Bundesvertrag, der die Grundlage zur späteren Bundesverfassung bildet, er verhilft der Schweiz zur internationalen Anerkennung der Neutralität und er verhilft der Schweiz zu den Grenzen, die sie, fast ohne Veränderung, bis heute hat.
Später setzt sich Kapodistrias von Genf aus für seinen wichtigsten Kampf ein: die Unabhängigkeit Griechenlands vom Osmanischen Reich. Genf wird Zentrum der philhellenischen Bewegung – jener Griechenfreunde in Europa, die Kapodistrias unterstützen. Als erster Staatspräsident des unabhängigen Griechenlands ist Ioannis Kapodistrias in den meisten Geschichtsbüchern zu finden. Die Zeitblende fokussiert vor allem auf die weniger bekannte Seite des Griechen: Ioannis Kapodistrias, als Schutzengel und Geburtshelfer einer unabhängigen, neutralen und friedlichen Schweiz.
Weiterführende Literatur:
Michelle Bouvier-Bron, La Mission de Capodistrias en Suisse (1813-1814), Korfu 1984
Olivier Meuwly, «Un ange gardien pour la Suisse » In : Passé simple, Nr. 69, Moudon 2021
Pavlos Tzermias, Neugriechische Geschichte. Tübingen 1986.
12/18/2021 • 23 minutes, 35 seconds
Paul Scherrer und die Bombe
Paul Scherrer war der führende Schweizer Kernphysiker seiner Zeit. Und eine faszinierende Figur: Informant für den US-Geheimdienst im Zweiten Weltkrieg, später vom Bundesrat mit der Atomforschung betraut - und mit einem brisanten Geheimauftrag. Doch Scherrer bleibt auch eine rätselhafte Figur.
In der Kernphysik führte in der Schweiz kein Weg an Paul Scherrer vorbei. Der Leiter des physikalischen Instituts der ETH, 1890 in St. Gallen geboren, hatte in Deutschland studiert und war bestens vernetzt. So kannte er etwa Werner Heisenberg, in Deutschland ein führender Kernphysiker. Scherrer lud Heisenberg während des Krieges wiederholt in die Schweiz ein, weshalb Scherrer vom US-Geheimdienst angeworben wurde. Schliesslich wollten die USA wissen, wie weit Nazideutschland war bei der Entwicklung der Atombombe.
Nach dem Krieg stand Scherrer, auch dank bester Beziehungen in die USA, im Zentrum der Schweizer Atomforschung. Brisant: Der Bundesrat beauftragte ihn und seine Kommission auch damit, eine mögliche Schweizer Atombombe zu entwickeln. Im Parlament erklärte der Vorsteher des Militärdepartements, Karl Kobelt, fast zur gleichen Zeit, die Schweiz habe keine Absicht, eine Atombombe zu bauen.
Paul Scherrer bleibt bis heute ein Mysterium: Sein Nachlass wurde nach seinem Tod gründlich vernichtet. Bis heute muss deshalb auch offen bleiben, ob ernsthaft willens war, diese Waffe für die Schweiz zu entwickeln.
Die Zeitblende wagt eine Annäherung an Paul Scherrer und die Schweizer Atompläne - zusammen mit Historikerin Monika Gisler, die daran ist, eine Biografie über Paul Scherrer zu schreiben.
12/4/2021 • 29 minutes, 54 seconds
Die Zerstörung einer Kultur: Kanadas «Residential Schools»
In der Zeitblende erzählen zwei Überlebende von der traumatischen Zeit in einer der berüchtigten «Residential Schools». In den Internaten sollten indigene Kinder umerzogen werden. Es war der Versuch, die Ureinwohner zu assimilieren.
Angela Shisheesh und Mike Metatawabin gehören zum Volk der Cree. Sie stammen aus einer «First Nation», aus einem Reservat an der James Bay, hoch im Norden der Provinz Ontario. Beide mussten die «St. Anne's Indian Residential School» besuchen. Sie gilt als besonders berüchtigt. In der Schule, betrieben von der katholischen Kirche, herrschten schreckliche Zustände. Missbrauch, Gewalt und Demütigungen gehörten zum Alltag.
Über 150`000 indigene Kinder mussten die Internate besuchen. Tausende kamen in den Schulen um. Es waren eigentliche Umerziehungslager: Der kanadische Staat wollte die indigenen Volksgruppen – Inuit, Métis und First Nations – assimilieren. Shisheesh und Metatawabin haben überlebt, heute sind sie geachtete «Elders». In der Zeitblende erzählen sie ihre Geschichten.
Manuel Menrath, Historiker der Universität Luzern, führt aus, wie das Trauma der Schulen bis heute nachwirkt. Menrath hat die Reservate der First Nations in Nord-Ontario für ein Buch-Projekt besucht und ist einer der besten Kenner der Materie.
11/20/2021 • 26 minutes, 54 seconds
«Mein Grossvater der Spion» - Milizspionage der Schweizer Armee
Während des Zweiten Weltkriegs verfasst der Puschlaver Plinio Zala unter dem Decknamen «Acqua» mehr als 100 Spionageberichte für die Schweizer Armee. Zala ist kein professioneller Geheimdienstler: Er spioniert in Norditalien als Zivilperson im Auftrag des Nachrichtendienstes.
Als Weinhändler kann Zala während des Zweiten Weltkriegs immer wieder über die Grenze reisen zu seinen Rebbergen im benachbarten Veltlin und dort Informationen über die Lage vor Ort sammeln. Diese gefährliche Spionagetätigkeit wurde säuberlich in Diensttagen im Dienstbüchlein abgerechnet.
Zala hat all seine Spionageberichte, die naturgemäss vernichtet wurden, im Durchschlag kopiert und im Haus versteckt. Die Familie hat sie nun überraschenderweise gefunden. Ein einzigartiger Fund!
Die «Zeitblende» wirft ein Schlaglicht auf dieses unbekannte Kapitel der Schweizer Geschichte. Zalas Enkel, Historiker Sacha Zala, erzählt die spannende Geschichte seines Nonnos, des zivilen Spions «Acqua» und der emiritierte Militärhistoriker Rudolf Jaun erläutert, weshalb die Schweizer Armee Zivilpersonen für Spionagezwecke engagierte.
11/6/2021 • 31 minutes, 55 seconds
Beate Uhse, die erste Erotik-Influencerin Deutschlands
Man mag sie, oder man mag sie nicht. Aber kennen tun sie fast alle. Um die Jahrtausendwende wussten 98 Prozent der Menschen in Deutschland, wer Beate Uhse ist. Von solchen Bekanntheitswerten können andere Unternehmen nur träumen.
Sie wurde gefeiert als Galionsfigur der sexuellen Aufklärung. Als Tante Sex. Als Mutter Courage des Tabubruchs.
Sie wurde verteufelt, von Kirche und Behörden. Und von den Feministinnen der 1980er Jahre, weil sie in ihren Pornofilmen Frauen zu einem Objekt männlicher Lust degradiert habe.
Vor allem aber war sie eine der erfolgreichsten Unternehmerinnen des 20. Jahrhunderts. Mit dem richtigen Riecher für ein gutes Geschäft.
10/23/2021 • 26 minutes, 59 seconds
Freiheitskämpfer und Sklavenhalter: Schweizer im Kolonialismus
Weil er sich für die Eigenständigkeit des Städtchens Stein am Rhein eingesetzt hatte, wurde Johann Conrad Winz 1784 von Zürcher Truppen festgenommen und schliesslich in die niederländische Kolonie Berbice (heute Guayana) verbannt. Dort war er Herr über mehrere Plantagen mit hunderten Sklaven.
Das Leben des jungen Gerichtsschreibers Johann Conrad Winz ist einzigartig und auf den ersten Blick widersprüchlich. Als Revoluzzer nach Südamerika verbannt, trifft er dort auf viele Landsleute. Rasch wird er Verwalter einer Plantage, später Direktor von mehreren. Um eine eigene Plantage zu kaufen, bittet er gar um einen Kredit aus Zürich, das ihn verbannt hatte – und erhält ihn. Nach fünf Jahren erlauben ihm die Zürcher zurückzukehren. Johann Conrad Winz aber bleibt bis ins Jahr 1800. Als reicher Mann lässt er sich danach in Schaffhausen nieder und macht politisch Karriere als Parlamentarier zuerst und später als Mitglied der Kantonsregierung. Die Herkunft seines Reichtums scheint ihm nicht zu schaden.
Im Garten der Villa Berbice, dem Landgut bei Schaffhausen, das Johann Conrad Winz sich nach seiner Rückkehr kaufte, erklärt der Historiker Hans Fässler in der Zeitblende, was besonders ist an dieser Biographie und warum vieles gleichzeitig typisch ist. Bernhard Schär, Dozent an der Universität München erklärt, warum Schweizer sehr präsent waren in den Kolonien und was die Schweizer Bevölkerung wusste, über die Sklaverei in den fernen Ländern.
10/9/2021 • 22 minutes, 36 seconds
Hetze, Gewalt und ein Mord: Die Schweiz vor dem Sonderbundskrieg
Am 20. Juli 1845, kurz nach Mitternacht, wurde der Luzerner Ratsherr Josef Leu im Schlaf erschossen. Es war einer der ganz wenigen politischen Morde der Schweiz und fiel in eine Zeit, in der die Schweiz so gespalten war wie seither nie mehr. In die Zeit vor dem Sonderbundskrieg.
Josef Leu war zu seinen Lebzeiten der wahrscheinlich populärste Politiker des Kantons Luzern. Der überaus fromme Mann gilt als Gründer der Katholisch-Konservativen Partei, aus der später die CVP werden sollte. Er kämpfte gegen die Säkularisierung und damit auch gegen die Anliegen der Liberalen. Zwischen diesen beiden Fronten tobte in der Mitte des 19. Jahrhunderts ein Kampf um die Zukunft der Eidgenossenschaft. Der Streit endete schlussendlich im letzten Bürgerkrieg der Schweiz, dem Sonderbundskrieg. Diese Zeitblende erzählt, wie es so weit kommen konnte und inwiefern Josef Leu und sein Mord zur Spaltung des Landes beitrugen.
Es spricht die Luzerner Historikerin Heidi Bossard-Borner, eine ausgewiesene Expertin der Geschichte des Kantons Luzern im 19. Jahrhundert. Zudem kommt Felix Beck zu Wort, ein Ur-Ur-Ur-Enkel von Josef Leu.
9/25/2021 • 25 minutes, 32 seconds
9/11: «Mir wurde schlagartig klar, das ist ein Riesending»
Es war ein strahlend schöner Tag, als Amerika angegriffen wurde. Die freie Journalistin Beatrice Uerlings berichtete damals von ihrem Küchentisch in Brooklyn aus für das Schweizer Radiopublikum, nachdem zwei Flugzeuge in die Türme des World Trade Centers in New York geflogen waren.
In Bern wurde für Echo-Moderator Casper Selg aus einem relativ newsarmen Tag ein Berichterstattungs-Marathon. «Als der zweite Flieger in die Türme flog, wurde mir schlagartig klar, das ist ein Riesending», sagt er heute.
Und in Washington DC sass USA-Korrespondent Rudolph Mäder im Verkehr fest, als die Welt den Atem anhielt.
In der Zeitblende diskutieren die drei Journalisten mit Marc Allemann über ihre Erinnerungen an den 11. September 2001.
9/11/2021 • 27 minutes, 15 seconds
Wie der Riese Gulliver den Bundesrat das Fürchten lehrte
Ein Fragebogenspiel an der Expo 64 provoziert eine Zensur durch den Bundesrat. Im Rahmen einer Attraktion will der Riese Gulliver die Schweizer Volksseele ergründen. Er fragt frech, witzig und zu provokativ für den Bundesrat. Aus dem Gulliver-Spiel wird die Gulliver-Affäre.
Kann man ein guter Schweizer sein und erst um 9 Uhr aufstehen? Soll die Schweiz ihre Neutralität überdenken? Das sind Fragen, die der Riese Gulliver stellt an der Expo 64, an der Landesaustellung in Lausanne. Es sind heikle Fragen. Zu heikel für den Bundesrat: Er interveniert und zensuriert. Die Antworter der Expobesucher sollen unter Verschluss bleiben. «Ich bin nicht erstaunt, aber dass politische Zensur solche Ausmasse annehmen konnte, finde ich monumental», sagt der emeritierte Soziologieprofessor der Uni Lausanne, René Levy in der Zeitblende. Gulliver-Schöpfer Charles Apothéloz erinnert sich in Archiv-Interviews an die Auseinandersetzungen mit dem Bundesrat. Und die Zeitblende zeigt, wie ein Teil der teil überraschenden Antworten doch noch ans Licht kam.
8/28/2021 • 24 minutes, 36 seconds
Die Linksterroristin in Hindelbank
Eine Schiesserei im Grenzgebiet zu Frankreich mit zwei verletzten Zöllnern belastet vor 44 Jahren die ganze Schweiz. Denn dahinter stecken zwei deutsche Terroristen. Die Behörden sind überfordert und das Sicherheitsdispositiv wird hochgefahren; gar ein Gefängnis wird um einen Trakt erweitert.
1977 erschüttert eine Schiesserei den damaligen Berner Jura. Zwei Grenzbeamte werden in Fahy von einem vermeintlichen Ehepaar niedergeschossen. Doch die beiden sind zwei deutsche Linksterroristen, Angehörige der «Bewegung 2. Juni», der kleinen Schwesterorganisation der Roten Armee-Fraktion RAF. Was folgt, ist ein streng bewachter Gerichtsprozess und überforderte Behörden. Wohin mit den Terroristen? Für die Frau, Gabriele Kröcher-Tiedemann, wird im Frauengefängnis Hindelbank gar eine neue Hochsicherheitsabteilung gebaut. Diese Zeitblende erzählt ihre Geschichte.
Die Zeitblende spricht darüber mit Bernard Rambert, dem damaligen Anwalt der beiden. Mit der Historikerin Dominique Grisard, welche den Fall Kröcher-Tiedemann breit erforscht hat. Und mit Butz Peters, einem der anerkanntesten Experten für Linksextremismus und die Rote-Armee-Fraktion RAF.
8/14/2021 • 31 minutes, 49 seconds
Die Grüne Fee aus dem Val-de-Travers
Vergöttert, verteufelt, verboten, heimlich weiter produziert und dann, nach 95 Jahren wieder erlaubt. Absinth hat eine sagenumwobene Geschichte. Das Verbot hat die Faszination der Grünen Fee nicht geschmälert, vielmehr hat es sie zum Mythos gemacht, im Val-de-Travers und darüber hinaus.
Der hochprozentige Schnaps aus dem Neuenburger Jura hat ab der Mitte des 18. Jahrhunderts einen beispiellosen Aufstieg. Der enorme Konsum hat aber Schattenseiten: Alkoholismus, Absinthismus - die Grüne Fee wird verboten.
Im Val-de-Travers jedoch geht es weiter. Hinter verklebten Fenstern, in Hinterzimmern, Kellern und Garagen wird heimlich weiter destilliert und gebrannt. Der Schwarzhandel blüht, tausende Liter Absinth wechseln die Besitzer, ein lohnender Zusatzverdienst für viele.
Die Geschichte der Grünen Fee erzählen Gabriele Didier vom Maison d'Absinth in Môtier, der Historiker und frühere Neuenburger Kantonsrat Pierre-André Delachaux und der Destillateur Christoph Racine aus Môtier.
6/26/2021 • 31 minutes, 25 seconds
«Tear down this wall»: Reagans prophetische Rede
Am 12. Juni 1987 rief der damalige US-Präsident Ronald Reagan am Brandenburger Tor in Berlin seinen sowjetischen Gegenspieler Michail Gorbatschow dazu auf, die Mauer nieder zu reissen. Doch das legendäre «Mister Gorbatschow, tear down this wall» hätte es so fast nicht gegeben.
Es war der damals knapp 30jährige Redenschreiber Peter Robinson, der die Rede für Reagan geschrieben hatte. Er war dafür inspiriert worden von Ingeborg Elz, einer deutschen Bekannten, die ihm bei einem Besuch in Berlin gesagt hatte, wenn es Gorbatschow ernst sei mit Glasnost, soll er die Mauer niederreissen.
Doch die Rede traf ihm Machtzirkel des Präsidenten auf enormen Widerstand. Der junge Redenschreiber wurde von Beratern Reagans unter Druck gesetzt. Sie wollten nicht, dass der Präsident die Sowjets zu etwas aufforderte. Und schon gar nicht öffentlich. Ronald Reagan selber hingegen war begeistert. Er wollte diese Passage unbedingt drinlassenn,
Peter Robinson erzählt in der Zeitblende, wie es zur Rede kam, von der einige sagen, sie hätte mitgeholfen, den kalten Krieg endgültig zu beenden.
6/12/2021 • 25 minutes, 30 seconds
Schweizer Kinos: Drehscheibe der Propaganda im 1. Weltkrieg
Der Kinobesuch ist in den 1910er Jahren noch ein ganz neues Vergnügen - und sehr populär. Als die Kriegsmächte im Ersten Weltkrieg den Film als Propagandamittel entdecken, werden die Schweizer Kinos quasi zum Propaganda-Schlachtfeld.
Die Kriegsstaaten bauen ab 1914 nicht nur in ihren Heimatländern Propagandabüros auf, sondern auch in der Schweiz. Bald einmal wird der Film als neues Medium, das die Massen erreicht, eingesetzt. In der Folge kaufen etwa die Deutschen über Tarnfirmen und Strohmänner gar eigene Kinos und einen Filmverleih in der Schweiz. Aber auch die Entente-Staaten bemühen sich sehr um das Schweizer Kinopublikum. Filmwissenschaftler Adrian Gerber hat dies in seinem Buch «Zwischen Propaganda und Unterhaltung. Das Kino in der Schweiz zur Zeit des Ersten Weltkrieges» aufgearbeitet. Mit ihm und Historiker Alexandre Elsig von der ETH Lausanne geht diese Zeitblende der Frage nach, welchen Einfluss ausländische Propagandafilme während des Ersten Weltkrieges in der Schweiz hatten. Die Antworten führen auch entlang des Röstigrabens zu den innerschweizerischen Spannungen und erzählen vom neuen Renommee des Schweizer Filmschaffens.
5/29/2021 • 30 minutes, 42 seconds
Gute Dienste der Schweiz für das Ausland: Bourbaki-Internierung
Im eisig-kalten Februar 1871 kamen 87'000 französische Soldaten in die Schweiz – nicht als Aggressoren, sondern als Geschlagene im deutsch-französischen Krieg. Die Soldaten der Bourbaki-Armee wurden von Deutschland im französischen Jura regelrecht in die Enge getrieben.
Ihnen blieb kein anderer Ausweg, als in der Schweiz Zuflucht zu suchen, sich internieren zu lassen. Die Soldaten schleppten sich innerhalb weniger Tage im Neuenburger und Waadtländer Jura über die Grenze: ausgehungert, krank, verletzt, mit Erfrierungen.
In der Schweiz wurden sie generalstabsmässig auf über 200 Gemeinden in fast allen Kantonen verteilt. Dort blieben sie während sechs Wochen. Die Schweizer Behörden waren ebenso gefordert, wie die Bevölkerung. Von allen Seiten war die Hilfsbereitschaft gross.
«Für die Schweiz war die Internierung der Bourbaki-Armee ein Präzedenzfall für die bewaffnete Neutralität», sagt in der «Zeitblende» der Historiker Patrick Deicher. Er hat die Bourbaki-Internierung erforscht und bringt sie uns vor dem monumentalen Bourbaki-Panorama-Gemälde in Luzern näher.
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