Winamp Logo
Sternstunde Philosophie Cover
Sternstunde Philosophie Profile

Sternstunde Philosophie

German, Social, 1 season, 68 episodes, 2 days, 18 hours, 45 minutes
About
Die grossen Fragen der Gegenwart, erörtert im Gespräch mit den herausragenden Köpfen unserer Zeit, so lautet seit mehr als 25 Jahren das Angebot der „Sternstunde Philosophie“. Führende Persönlichkeiten aus Kultur, Wissenschaft und Politik geben in diesem einzigartigen Fernsehformat ihre zentralen Erkenntnisse und Erfahrungen weiter. Klärende Analysen verbinden sich mit lebensnahen Denkanstössen, neue Einsichten mit kritischen Impulsen. Aufklärung für das 21. Jahrhundert          
Episode Artwork

Gerald Knaus – Wie lösen wir die Migrationskrise?

Jedes Jahr sterben über tausend Menschen auf der Flucht im Mittelmeer. An den EU-Aussengrenzen werden Asylsuchende mit Zäunen und Gewalt zurückgehalten. Wie können wir Migration kontrollieren, ohne Gewalt und Tote? Darüber spricht Yves Bossart mit dem gefragten Migrationsexperten Gerald Knaus. Von «Asylchaos» ist die Rede. Rechtpopulistische Parteien feiern Erfolge, weil sie eine restriktive Asylpolitik fordern. Auch die EU hat ihre Migrationspolitik verschärft. Was passiert da gerade? Und wie könnte eine humane und gerechte Migrationspolitik aussehen? Der österreichische Sozialwissenschaftler und Migrationsforscher Gerald Knaus gilt als Vordenker des Migrationsabkommens der EU mit der Türkei von 2016. Er ist Gründungsmitglied der «European Stability Initiative» und berät heute zahlreiche Regierungen. Seine Kernforderung lautet: Wir brauchen Kontrolle, vereint mit Empathie. Grenzschutz ja, aber menschlich. Knaus möchte – wie derzeit einige EU-Länder – Asylverfahren aus Europa auslagern, in sichere Drittstaaten, mit denen Abkommen geschlossen werden. So würden Menschen ohne Chance auf Asyl die gefährliche Reise nach Europa gar nicht erst antreten. Aber: Ist das moralisch vertretbar?
2/3/202459 minutes, 9 seconds
Episode Artwork

Martin Puchner – Literatur für die Zukunft

Geschichten können vieles: berühren, sensibilisieren, mitreissen. Die Fünf-vor-zwölf-Rhetorik tut nichts davon, sagt Martin Puchner, Professor an der renommierten Harvard Universität. Wollen wir die Krisen unserer Zeit meistern, brauchen wir neue und bessere Erzählungen. Die Menschheit erzählt Geschichten, seit sie der Sprache mächtig ist. Erforscht man die Weltliteratur, erforscht man deshalb immer auch sich selbst. Für Martin Puchner, Professor für Literaturwissenschaft und Komparatistik an der renommierten Harvard Universität in den USA, liegen in diesen Zeugnissen die Schlüssel zum Verständnis heutiger Krisen. So ist bereits das Gilgamesch-Epos, das rund 4000 Jahre alt ist, eine Katastrophenerzählung, wie sie Hollywood nicht besser erzählen könnte. In der Bewegung der «Prepper», die sich zu Selbstversorgern ausbilden, um beim grossen Showdown zu überleben, erkennt Puchner die Wiederbelebung des Mythos von Noah, der sich und seine Lieben mit einer Arche rettete. In unseren Geschichten erkennen wir aber nicht nur uns selbst, mit Geschichten können wir uns auch neu erfinden. Die Frage ist bloss: Welche Narrative prägen die Zukunft – und welche Medien? Denken wir weit in die Zukunft, wird die Menschheitsgeschichte irgendwann ein leises Kräuseln auf dem Ozean der Ewigkeit gewesen sein. In Zeitkapseln werden heute Botschaften versteckt für Zivilisationen, die vielleicht nach uns kommen. Doch wird sie je jemand entziffern können – und vor allem: Warum wird das getan? Barbara Bleisch trifft den umtriebigen Harvard-Professor am Zürcher Philosophie Festival zum Gespräch.
1/27/202458 minutes, 7 seconds
Episode Artwork

Paul Feyerabend – Erkenntnis für freie Menschen!

Die wissenschaftliche Methode: gibt es nicht! Und auch keinen Erkenntnisfortschritt zu der Wahrheit. Höchste Zeit deshalb, die Naturwissenschaft basisdemokratisch zu regulieren! So der vor 100 Jahren geborene Philosoph Paul Feyerabend. Welche Bedeutung haben seine Thesen für unsere Gegenwart? Für viele ist er einer der bedeutendsten Philosophen des 20. Jahrhunderts. Für andere gilt der 1924 in Wien geborene Paul Feyerabend „als grösster Feind der Wissenschaft, ja als Vordenker heutiger Querdenker. Sich selbst bezeichnete Feyerabend, langjähriger Professor an der ETH Zürich, als erkenntnistheoretischen Anarchisten und Pluralisten. Mit Werken wie „Wider den Methodenzwang oder „Erkenntnis für freie Menschen stieg er in den 1970er Jahren vom kalifornischen Berkeley aus zu einer Ikone linker Gegenkultur auf. Und er wirkte mit seinen genialen Polemiken und Performances über Jahrzehnte als lebendig gewordener Alptraum akademischer Philosophie. Zum 100. Geburtstag des 1994 in der Schweiz verstorbenen Selbstdenkers spricht Wolfram Eilenberger mit dem Zürcher Wissenschaftshistoriker Michael Hagner über die Wichtigkeit von Feyerabends Impulsen für unsere wissenschaftsdurchdrungene Gegenwart.
1/20/202458 minutes, 53 seconds
Episode Artwork

Mirjana Spoljaric Egger – IKRK-Präsidentin auf heikler Mission

Mit Mirjana Spoljaric Egger steht seit Herbst 2022 zum ersten Mal eine Frau an der Spitze des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK). Ihr Amt hat die ehemalige Spitzendiplomatin in einer Zeit multipler Krisen angetreten. Barbara Bleisch trifft die gewiefte Verhandlerin zum Gespräch. Das IKRK mit Sitz in Genf hat Tradition. Im 161. Jahr ihres Bestehens steht die Hilfsorganisation, deren Auftrag der Schutz des humanitären Völkerrechts ist, vor gewaltigen Herausforderungen. Not, Leid und Elend nehmen weltweit zu, nicht zuletzt aufgrund der Klimakrise. Mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine hat das IKRK die grösste Mission in seiner Geschichte zu bewältigen. Auch im Krieg in Israel und Gaza ist die Organisation gefordert mit der Übergabe befreiter Geiseln, dem Besuch von Gefangenen und dem Transport von Hilfsgütern. Der Bedarf an finanziellen Mitteln ist in den letzten Jahren stark angestiegen und Präsidentin Mirjana Spoljaric Egger sah sich gezwungen, kurz nach Amtsantritt Budgetkürzungen und Entlassungen anzukündigen. Wie führt man in der Krise, wenn der Druck von innen und aussen zunimmt? Wie lässt sich noch an das humanitäre Völkerrecht glauben, wenn es selbst von Grossmächten mit Füssen getreten wird? Und lässt sich mit gutem Gewissen mit Kriegsverbrechern verhandeln, um Zugang zu Gefangenen und Opfern zu erhalten? Barbara Bleisch trifft die ehemalige Mitarbeiterin der UNO und Spitzendiplomatin zum Gespräch.
1/13/20241 hour, 32 seconds
Episode Artwork

Thomas Fuchs – Macht uns die Gesellschaft krank?

Immer mehr Menschen klagen über Erschöpfung, Ängste und Depressionen – auch angesichts der krisenhaften Weltlage. Wie können wir unsere Psyche besser schützen? Und wo muss sich die Gesellschaft verändern? Yves Bossart im Gespräch mit dem Psychiater und Philosophen Thomas Fuchs. Viele Menschen sind erschöpft, weil sie die natürlichen Kreisläufe des Lebens missachten, meint der Philosoph und Psychiater Thomas Fuchs. Wir sollten wieder lernen, die Rhythmen der Natur und des eigenen Körpers wahrzunehmen. Thomas Fuchs hat Medizin, Philosophie und Wissenschaftsgeschichte studiert und ist seit 2010 Karl-Jaspers-Professor für Philosophische Grundlagen der Psychiatrie und Psychotherapie in Heidelberg. Yves Bossart spricht mit ihm über die psychischen Belastungen der Gegenwart und darüber, was die Digitalisierung damit zu tun hat, warum junge Frauen besonders darunter leiden und was mögliche Auswege aus Erschöpfung und Entfremdung sein könnten.
1/6/202459 minutes, 28 seconds
Episode Artwork

Jane Goodall – Ein Leben für die Schimpansen

Jane Goodalls Biografie ist filmreif: Schon als kleines Mädchen träumte sie davon, zu den Menschenaffen in den Dschungel zu ziehen. Ohne ein Studium in der Tasche, schaffte es die junge Britin, zur berühmtesten Primatenforscherin der Welt zu werden. Barbara Bleisch trifft sie zum Gespräch. Da das Geld der Familie nicht reichte, war ein Studium ausgeschlossen. Stattdessen wurde Jane Goodall Sekretärin. Als sie eine Freundin nach Kenia einlud, packte sie ihre Koffer. Durch eine Reihe glücklicher Zufälle lernte sie dort den bekannten Anthropologen Louis Leakey kennen, der sie als seine Sekretärin einstellte und ihr Talent fürs Studium von Tieren erkannte. So verschlug es die völlig unerfahrene Goodall mit 26 Jahren nach Gombe in Tansania und sie erforschte über viele Jahre hinweg das Leben der Schimpansen. Aus dem Mädchen aus London wurde eine weltbekannte Forscherin und UN-Friedensbotschafterin. Mit ihrer Stiftung unterstützt sie den Schutz der Schimpansen und kämpft gegen die Armut vor Ort, denn Goodall hat früh erkannt: Tier- und Umweltschutz ist immer auch Einsatz für soziale Gerechtigkeit. Barbara Bleisch trifft die Grande Dame der Primatenforschung zum Gespräch über Träume und Durchhaltevermögen, über Menschen und Affen und über die Zukunft unseres Planeten.
12/30/202359 minutes, 52 seconds
Episode Artwork

Axel Hacke – Kommen wir heiter weiter?

Axel Hacke möchte ein heiterer Mensch sein, tut sich aber schwer damit. Das überrascht insofern, als der Bestsellerautor sein Publikum seit Jahrzehnten erfolgreich mit heiteren Geschichten unterhält. Im Gespräch mit Barbara Bleisch geht er der Heiterkeit als Lebenshaltung auf den Grund. An sich würde man gern gelassen und gutgelaunt durchs Leben gehen. Doch angesichts der vielen Krisen unserer Zeit fa?llt das vielen derzeit schwer oder scheint sogar unangebracht. Der vielfach preisgekrönte Kolumnist und Schriftsteller Axel Hacke denkt in seinem neuen Bestseller «Über die Heiterkeit» daru?ber nach, wie es gelingen kann, in eine zärtliche Distanz zu sich und zur Welt zu treten, die Raum lässt für Entkrampfung. Heiterkeit ist für Hacke nicht zu verwechseln mit brüllendem Lachen, Witzeerzählen und Schenkelklopfen. Vielmehr geht es ihm um eine Haltung der Gelassenheit, wie sie schon in der antiken Philosophie als Mittel der Lebenskunst angepriesen wurde, und um die Einsicht: Wir Menschen sind einander in unserem Bemühen, durchs Leben zu kommen, alle gleich. In der Sternstunde Philosophie fragen wir, wie es gelingt, heiter zu bleiben, ohne sich über alles lustig zu machen, und dem Leben seine Schwere zu nehmen, ohne in Zynismus abzugleiten. Dabei zeigt sich: Heiter geht es tatsächlich weiter!
12/23/202358 minutes, 46 seconds
Episode Artwork

Sofi Oksanen – Jeder Krieg ist ein Krieg gegen Frauen

Als eine der wichtigsten literarischen Stimmen der Gegenwart schreibt die finnisch-estnische Schriftstellerin Sofi Oksanen nicht nur Romane. Sie ist auch eine Chronistin der sowjetischen Gewalttaten in Osteuropa. Vor allem gegen Frauen. Wie nun wieder in Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine. Mit dem Roman «Fegefeuer» hat sich Sofi Oksanen 2010 auf die literarische Landkarte Europas gesetzt. Seitdem ist sie zu einer der wichtigsten Stimmen der Gegenwartsliteratur geworden. Dass es so weit kam, ist keineswegs selbstverständlich. Als „post-koloniale Autorin beschäftigt sich Oksanen mit der Geschichte der von der einstigen Sowjetunion beherrschten und unterjochten Nationen Osteuropas. Allen voran jener Estlands. Von dort stammt Oksanens Mutter. In schonungsloser Drastik wirkt sie als Chronistin der Gewalt gegen Frauen in Zeiten der Besatzung und des Krieges. So wie aktuell in der Ukraine, auf die sie sich in ihrem neusten Buch «Putins Krieg gegen die Frauen» konzentriert. Wolfram Eilenberger spricht mit der finnischen Star-Autorin über Familientraumata, die Generationen nachwirken, die nordische Faszination für das Dunkle und die Frage, weshalb sich an den Rändern Europas derzeit einmal mehr das Schicksal des gesamten Kontinents entscheidet.
12/16/202357 minutes, 25 seconds
Episode Artwork

Peter Kirchschläger – Eine Ethik für das KI-Zeitalter!

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz verletzt Menschenrechte. Dennoch gibt es bis heute keine spezifischen KI-Gesetze. Der Schweizer Ethiker Peter Kirchschläger fordert eine globale Überwachungsbehörde zum Schutz aller Menschen vor KI. Gespräch über die gefährlichste Technologie unserer Zeit. Nach Elon Musk ist Künstliche Intelligenz «potenziell gefährlicher als die Atombombe». Dennoch ist sie mittlerweile überall frei im Einsatz. KI leitet unseren Alltag, beeinflusst unsere Entscheidungen, dringt in unsere Privatsphäre ein. Auch in der Schweiz ohne jede spezifische rechtliche Regulierung. Inwiefern gefährdet Künstliche Intelligenz die Menschenrechte? Sind gar die Grundlagen der Demokratie in Gefahr? Und wenn ja, wie lässt sich diese Technologie zukünftig einhegen? Erst kürzlich legten 18 Staaten erste Regeln für den Umgang mit KI fest. Rechtlich bindend sind auch sie bislang nicht. Der in Luzern lehrende Theologe und Philosoph Peter Kirchschläger geht deshalb weiter. Er fordert eine globale Überwachungsbehörde für KI-Technologien. Und findet mit diesem Impuls immer breiteres Gehör, auch bei der UNO. Welchen ethischen und rechtlichen Regeln gelten müssen, um den Menschen vor den Gefahren der KI zu schützen, erklärt Peter G. Kirchschläger im Gespräch mit Wolfram Eilenberger.
12/9/202358 minutes, 11 seconds
Episode Artwork

Sabine Hossenfelder – Steht die Zukunft schon fest?

Die deutsche Physikerin Sabine Hossenfelder erreicht mit ihren Erklärvideos auf YouTube ein Millionenpublikum. Sie stellt Fragen wie: Ist alles nur Materie? Gibt es die Zeit? Und: Ist unser Wille wirklich frei? Ein philosophisches Gespräch über die Grundlagen der Physik. Die Zeit ist bloss eine Illusion. Die Vergangenheit existiert noch immer. Und die Zukunft steht bereits fest. Mit solchen Behauptungen begeistert die Physikerin Sabine Hossenfelder auf YouTube ihre zahlreichen Follower. Wenn sie Albert Einstein erklärt, dann kommen alle mit. Hossenfelder kritisiert aber auch die gegenwärtige Physik und meint, die Suche nach der einen, wahrhaft schönen Weltformel sei vergebens: Das Universum ist nicht schön, sondern hässlich. Zudem solle man endlich aufhören, am CERN in Genf nach weiteren Teilchen zu suchen. Man könne nur scheitern. Yves Bossart spricht mit der ebenso populären wie umstrittenen Physikerin über den gegenwärtigen Stand des Irrtums und fragt: Was war nochmal der Sinn von allem?
12/2/202356 minutes, 42 seconds
Episode Artwork

Liberalismus – Welche Freiheit wollen wir?

Die Freiheit hat derzeit einen schweren Stand. Weltweit kämpfen Autokraten gegen die liberale Demokratie. Gleichzeitig erklingt in Krisenzeiten der Ruf nach einem starken Staat und nach mehr Verzicht. Hat der Liberalismus ausgedient? Yves Bossart im Gespräch mit dem Philosophen Michael Festl. In allen Parteiprogrammen, von der rechten SVP über die wirtschaftsfreundliche FDP bis zur linken SP, steht der Wert der Freiheit weit oben. Doch alle Parteien verstehen etwas anderes darunter – ebenso wie unter dem Begriff «liberal». Was also ist liberal? Wie hängen wirtschaftlicher und politischer Liberalismus zusammen? Und wie könnte ein Liberalismus für das 21. Jahrhundert aussehen – angesichts von Kriegen, Klimakrise, Migration und Rechtspopulismus? Über diese Fragen spricht Yves Bossart mit dem Philosophen Michael Festl, der meint: Der Liberalismus müsse sich neu erfinden – und sich gleichzeitig auf seine Wurzeln besinnen. Festl ist Professor im Bereich Philosophie an der Universität St. Gallen und beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit der Geschichte des politischen Liberalismus.
11/25/202358 minutes, 21 seconds
Episode Artwork

Sarah Bakewell – Humanisten leben erfüllter!

Was ein gutes Leben ausmacht? Frei denken, furchtlos forschen, handelnd hoffen. Mit anderen Worten: als überzeugte Humanistin durchs Leben gehen. Das sagt die englische Denkerin und Bestsellerautorin Sarah Bakewell. Gespräch über eine Philosophie wahrer Menschlichkeit. Was braucht es, um gegenwärtigen Krisen geistig zu begegnen? In Zeiten religiöser Konflikte, medialer Revolutionen, neuer Technologien und auch pandemischer Bedrohungen? Bereits vor mehr als 700 Jahren stellten sich Menschen diese Fragen mit neuer Dringlichkeit. Und hoben von Norditalien mit dem Humanismus eine neue Denktradition aus der Taufe. In deren Zentrum sollten nicht mehr theologische Dogmen stehen, sondern der freie, einsichtsreiche Mensch – seine einzigartigen Talente, Techniken und Sehnsüchte. Die britische Schriftstellerin Sarah Bakewell, Autorin weltweit gefeierter Werke wie «Das Café der Existenzialisten» sowie «Das Leben Montaignes» sieht in der Tradition des Humanismus den Schlüssel zu einer besseren Zukunft: selbstbestimmt, verantwortungsvoll, nachhaltig, emanzipatorisch. Der Titel ihres aktuellen Werkes lautet deshalb «Wie man Mensch wird – Auf den Spuren der Humanisten». Im Gespräch mit Wolfram Eilenberger entwickelt sie, welche rettenden Einsichten Humanisten für unsere Gegenwart bereithalten.
11/11/202357 minutes, 48 seconds
Episode Artwork

Woher kommt der Hass gegen die Hässlichkeit?

Zu dick, zu alt, zu dunkel, zu haarig: Wer nicht der Norm entspricht, wird gemobbt und diskriminiert. Schönheit hingegen verspricht Erfolg und Anerkennung. Doch wer definiert, was schön ist? Und welche Machtstrukturen stecken hinter dem Hass gegen die Hässlichkeit? Frisch gespritzt und neu gepolstert: Im Pro-Kopf-Vergleich gehört die Schweiz zu den führenden Ländern, was Schönheitseingriffe betrifft. Und je mehr Menschen mitmachen, desto verbindlicher wird die Selbstoptimierung. Die Künstlerin Moshtari Hilal und die Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Lechner zeigen auf, wie viel Politik in unseren Schönheitsidealen steckt und fordern mehr Widerstand: Wir sollten nicht die eigenen Körper kritisieren, sondern das System, die Säulen, auf denen die Schönheitsindustrie fusst: Kapitalismus, Patriarchat, Kolonialismus und Rassismus. Doch wie sähe eine solche Schönheitsrevolution aus? Wie gelänge eine inklusivere Gesellschaft, die keine Hässlichkeit mehr braucht? Und was spricht eigentlich gegen Schönheits-OPs? Über diese Fragen spricht Yves Bossart mit Moshtari Hilal, Künstlerin und Autorin des Buches «Hässlichkeit», und mit Elisabeth Lechner, Kulturwissenschaftlerin und Autorin des Buches «Riot, dont diet! – Aufstand der widerspenstigen Körper».
11/4/202359 minutes, 49 seconds
Episode Artwork

Omri Boehm, lässt sich ohne Hass über Nahost sprechen?

Die Terrorattacke der Hamas wird einhellig verurteilt. Gerade bei westlichen Intellektuellen wird sie aber teilweise von einem «ja, aber» sekundiert, was wiederum für Empörung sorgt. Wie lässt sich über die Situation in Nahost sprechen und ist ein Weg aus dieser Spirale des Hasses überhaupt möglich? Das Grauen, das die Hamas-Terroristen mit ihrer unglaublich brutalen Attacke gegenüber unschuldigen Israelis angerichtet haben, ist kaum in Worte zu fassen, und das Reden darüber fällt schwer. Der Angriff wird in aller Schärfe verurteilt, einige schieben jedoch ein «ja, aber» nach, wollen den Terror kontextualisieren und verweisen auf die humanitäre Katastrophe im Gaza. Droht damit eine Verharmlosung, gar Rechtfertigung, und lässt sich das «akut Böse» überhaupt kontextualisieren? Andererseits: Lässt sich Terror losgelöst von einem Kontext beurteilen? Warum scheint es gerade so schwer, diskursiv zu trennen zwischen Israel-Kritik und Antisemitismus, und wann ist diese Fähigkeit zur Differenzierung abhandengekommen? Wie kann ein Ausbruch aus dem Denken der Vergeltung hin zur Vergebung gelingen, wenn Unrecht und Schuld so tief eingegraben sind? Zu Gast ist der deutsch-israelische Philosoph Omri Boehm, Professor an der renommierten New School for Social Research in New York, der die Zweitstaatenlösung als definitiv gescheitert bezeichnet und der 2020 in seinem Buch «Israel – Eine Utopie» eine binationale Republik auf dem Gebiet des heutigen Israels und Palästina vorgeschlagen hat. Mit Omri Boehm sprechen Barbara Bleisch und Wolfram Eilenberger.
10/28/202358 minutes, 32 seconds
Episode Artwork

Eine andere Demokratie wagen? Der Philosophische Stammtisch

Der Rückhalt für die Demokratie scheint zu schwinden. Selbst im Musterland Schweiz. Die Wahlbeteiligung sinkt, die Skepsis an demokratischen Verfahren wächst. Und mit ihr die populistische Wut. Was tun, um unsere Demokratien zu stärken? Müssen wir Volksherrschaft zukünftig neu denken? Am 22. Oktober wählt die ganze Schweiz ein neues Parlament. Die ganze Schweiz? Nein, nur diejenigen Einwohnerinnen und Einwohner unseres Landes, die stimm- und wahlberechtigt sind. Also weder die Ausländerinnen und Ausländer noch die 16- und 17-Jährigen. Und auch nicht die wachsende Zahl derjenigen, die gar nicht wählen oder abstimmen. Zur Urne gehen damit weniger als die Hälfte aller Menschen, die in der Schweiz leben. Und das nennen wir dann Volksentscheid? Ist das noch zeitgemäss? Gerecht? Vernünftig? Welche Wege führen aus der Krise westlicher Demokratien: Von Populismus bedroht. Und oft auch zu mutlos in notwendigen Entscheidungen? Siehe Klimawandel. Wäre es besser, das Los entscheiden zu lassen, wer in der Volksvertretung sitzt? Sollten wir, wie viele europäische Länder um uns herum, Bürgerräte einführen? Hat die Demokratie ihren Zenit gar überschritten? Oder bleibt sie nach wie vor die schlechteste aller Regierungsformen, abgesehen von allen anderen, wie Winston Churchill es einst formulierte? Barbara Bleisch und Wolfram Eilenberger diskutieren diese Schlüsselfragen der Gegenwart mit der deutschen Historikerin Hedwig Richter und dem Schweizer Philosophen Francis Cheneval.
10/21/202356 minutes, 13 seconds
Episode Artwork

Sind wir zu moralisch, Hanno Sauer?

Hanno Sauer, Philosophieprofessor in Utrecht, sorgt mit seinem Buch «Moral. Die Erfindung von Gut und Böse» gerade für Furore. Vielleicht, weil das Thema so polarisiert? Barbara Bleisch fragt den Jungstar der Philosophie, ob wir es mit der Moral gerade übertreiben. Die Entwicklung der menschlichen Moral hat schon viele Denker beschäftigt: Allen voran natürlich Friedrich Nietzsche in seiner «Genealogie der Moral», aber auch Yuval Noah Harari oder Rutger Bregman. Hanno Sauer, der sich gerade als neuer Star der öffentlichen Philosophie entpuppt, hat mit seinem neuen Buch eine weitere umfangreiche Globalgeschichte unserer Werte und Normen vorgelegt. Am interessantesten liest sich das Buch, wenn es um die neueste Geschichte geht. Sauer gibt sich nämlich trotz überreizter Debatten über «Wokeness», «Tugendterror» und «Moralismus» versöhnlich: Die Polarisierung in unserer Gesellschaft hält er lediglich für eine «Sortierung». Im Grossen und Ganzen seien wir uns über die zentralen moralischen Werte einig. Wirklich? Barbara Bleisch hakt nach und analysiert mit dem jungen Professor die moralische Grammatik unserer Gegenwart.
10/7/202357 minutes, 48 seconds
Episode Artwork

Suizid – Sünde oder Freiheit?

Weltweit sterben mehr Menschen durch Suizid als durch Gewalt. Ihre Schicksale sind jedoch oft unsichtbar, das Thema ist Tabu. Für viele ist der Suizid eine Sünde gegen Gott oder zumindest Symptom einer Krankheit. Andere sehen im «Freitod» den ultimativen Akt menschlicher Autonomie. Der Philosoph Walter Benjamin bezeichnete den Suizid als die «Quintessenz der Moderne». Wenn der «Selbstmord» keine Sünde mehr ist gegen Gott, wird er dann zum letzten Akt des freien Willens? Wann aber ist ein Suizidwunsch wirklich frei – und wann bloss das Symptom einer Notsituation oder einer Krankheit wie der Depression? Und welche Verantwortung hat man gegenüber den Hinterbliebenen? Philosophie und Theologie beschäftigen sich seit jeher mit diesen schwierigen Fragen am Lebensende, mit dem Verhältnis von Freiheit und Tod. Die Sendungen «Sternstunde Philosophie» und «Sternstunde Religion» widmen sich darum gemeinsam dem Tabuthema Suizid: Olivia Röllin besucht das Kriseninterventionszentrum (KIZ) in Winterthur und Yves Bossart spricht mit der evangelischen Theologin Dorothee Arnold-Krüger und dem Philosophen und Mediziner Matthias Bormuth.
9/30/20231 hour, 6 minutes, 8 seconds
Episode Artwork

Dieter Thomä – Produktives Stören bringt die Welt voran

Niemand mag Störungen. Fahrleitungsstörungen oder Störgeräusche sind ebenso unbeliebt wie «Klimakleber», die den Strassenverkehr stören. Der Philosoph Dieter Thomä sagt aber: Störmomente gehören nicht nur zum Leben, sondern bringen uns manchmal entscheidend weiter. Doch was macht Störung produktiv? Angesichts komplexer und krisenbehafteter Zeiten keimt in vielen der Wunsch nach einer möglichst störungsfreien Welt, nach reibungslosen Abläufen und vertrauten Schemen. So verständlich der Wunsch, so verfehlt ist er, sagt Dieter Thomä, bis vor kurzem Professor für Philosophie an der Universität St. Gallen. In seinem Buch «Puer Robustus. Eine Philosophie des Störenfrieds» hat er sich bereits 2016 intensiv mit der Figur des Querdenkers, Aufwieglers und Querulanten befasst. Für ihn gehören diese Figuren zu jeder Ordnung und namentlich zur Demokratie. Politische Aufbrüche der Moderne werden selten vom Zentrum der Macht, sondern meist von den Rändern her angestossen – nicht zuletzt von Menschen mit Ideen, die als verrückt abgestempelt wurden. Letztlich ist auch die Philosophie in ihrem Ursprung nichts anderes als der Versuch, Bisheriges zu stören und an den Grundfesten unserer Überzeugungen zu rütteln. Doch wann ist der Sand im Getriebe produktiv – und wann wirkt er einfach nur zersetzend? Barbara Bleisch hakt nach.
9/23/202359 minutes, 22 seconds
Episode Artwork

Corine Pelluchon – Hoffnung angesichts der Klimakrise?

Die Folgen des Klimawandels und der Naturzerstörung machen vielen Angst. Wie schafft man es, trotz Klimakrise hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken? Und wie könnte eine ökologisch nachhaltige Welt aussehen? Darüber spricht Yves Bossart mit der französischen Philosophin Corine Pelluchon. Hoffnung ist das Gegenteil von Optimismus, findet die französische Philosophin und Professorin Corine Pelluchon. Wahre Hoffnung entstehe aus Verzweiflung. Nur dann sei ein radikaler Neuanfang möglich, meint Pelluchon, die selbst jahrzehntelang unter Depressionen litt. Angesichts der Klimakrise fordert sie ein neues Verhältnis zur lebendigen Natur, zu Erde, Tier und Mensch: weg von der Herrschaft, hin zu mehr Wertschätzung. Der Mensch sei ein Stück Natur, inmitten von Natur, und als solcher abhängig und verletzlich. Diese Demut helfe der Menschheit, sich neu zu erfinden. Wie eine solche ökologische Revolution aussehen könnte, warum es dafür eine neue Aufklärung braucht und was das alles mit Tod und Transzendenz zu tun hat, darüber spricht die bekennende Veganerin mit Yves Bossart.
9/2/202358 minutes, 33 seconds
Episode Artwork

Lorraine Daston – Die Regeln unseres Lebens

Keiner mag sie. Doch in Wahrheit prägen sie unsere gesamte Existenz: Regeln. Ohne sie gäbe es keine Wissenschaft, keinen Staat, keine Sprache, kein Sport. Gespräch mit der Wissenschaftshistorikerin Lorraine Daston über die Notwendigkeit von Regeln – und die Befreiung, sie immer wieder zu brechen. Auch wenn sie meist nerven: Regeln sind die wahren Retterinnen unserer Welt. Ohne sie könnten wir weder denken noch sprechen. Weder spielen noch kochen. Gäbe es weder Mathematik noch Kunst. Über das scheinbar allmächtige Netz von Regeln, das der Mensch über die Wirklichkeit wirft, hat Lorraine Daston ein Leben lang nachgedacht. Und als eine der bedeutendsten Wissenschaftshistorikerinnen der Gegenwart nun eine Weltgeschichte der Regeln geschrieben. Ihre Einsichten und Fragen führen direkt ins Herz unserer Gegenwart: Welchen Regeln gehorcht künstliche Intelligenz – welchen gerade nicht? Gibt es für jede Regel eine Ausnahme? Was unterscheidet eine Faustregel von Faustrecht, was Fakten von Fake News? Und ist der Mensch am Ende das einzige uns bekannte Wesen, das Regeln immer wieder selbstbestimmt überschreitet, bricht, gar revolutioniert? Im Gespräch mit Wolfram Eilenberger legt Daston die Tiefenstrukturen unseres Daseins frei – und befördert gleichzeitig höchst irreguläre Einsichten ans Licht.
8/26/202355 minutes, 41 seconds
Episode Artwork

Miranda Fricker – Wissen und Macht

Sprache ist mächtig: Sie prägt unsere Wahrnehmung, zementiert Machtverhältnisse und kann Beziehungen verändern. So kann eine Entschuldigung eine Freundschaft retten. Miranda Fricker hat Bahnbrechendes beigetragen zur Frage, wie Sprache und Wissen die Welt verändern. Dass Wissen und Macht einander beeinflussen und durchdringen, ist keine neue Einsicht. Die Philosophie hat aber lange gebraucht, um die ethischen Konsequenzen dieser Einsicht zu verstehen. Miranda Frickers Buch «Epistemische Ungerechtigkeit. Macht und die Ethik des Wissens» hat 2007 für Furore gesorgt. Die einflussreiche Philosophin, Professorin an der New York University, zeigt darin auf, dass wir über ein Sprachrepertoire verfügen müssen, um gewisse Missstände überhaupt erst anprangern zu können. Solange etwa «Stalking» als Begriff nicht existierte, gelang es den Opfern nicht, deutlich zu machen, was sie bedroht. Dabei hängt es nicht zuletzt davon ab, wer spricht, ob wir ihm oder ihr Glauben schenken: So würden wir einer randständigen Person in schmutzigen Kleidern kaum glauben, wenn sie erzählt, sie sei bestohlen worden. Stereotype und Vorurteile tragen so zu Missständen bei, die wir erst erkennen, wenn wir genau über Sprache, Wissen und Macht nachdenken. Worte sind aber auch mächtig, wenn es darum geht, Missstände wieder zu beheben. Ein Dank oder eine Entschuldigung zur rechten Zeit können alles verändern. Barbara Bleisch trifft eine der faszinierendsten Philosophinnen unserer Zeit zum Gespräch.
7/1/202359 minutes, 51 seconds
Episode Artwork

Severin Dressen – Warum es Zoos geben muss

Sind Zoos Stätten der Vergangenheit oder Ausdruck einer tierfreundlicheren Zukunft? Gegen alle ethischen Bedenken betont Severin Dressen, Direktor des Zoo Zürich, die Notwendigkeit zoologischer Gärten für Artenvielfalt und Wildtierschutz. Gespräch über einen Ort, an dem sich die Geister scheiden. Die Frage nach dem Zoo wird immer kontroverser diskutiert. Denn wo die einen den Wert des Zoos für Bildung und Artenschutz hervorheben, fragen andere kritisch: Wie lässt es sich rechtfertigen, Wildtiere wie Elefanten, Giraffen oder Menschenaffen lebenslang ihrer Bewegungsfreiheit zu berauben? Sie in Gehegen, oft auch noch Käfigen, als Objekte des Staunens zu präsentieren? Mit ihnen weltweit vernetzten Tauschhandel zu betreiben? Was spricht aus ethischer und ästhetischer Perspektive gegen einen Zoobesuch – was dafür? Für Severin Dressen, Direktor des Zoo Zürich, ist die Antwort klar. Als Leiter einer der führenden und innovativsten Einrichtungen weltweit, verteidigt er die Bedeutung und den Wert von Zoos für das Leben aller Wildtiere auf diesem Planeten: als Orte der Begegnung, der Faszination, der Bewahrung von Artenvielfalt und zunehmend auch der Forschung. Wie sich das moderne Verhältnis von Tier und Mensch in der Geschichte des Zoos spiegelt, welche neuen Formen artgerechter Haltung gerade entstehen und auch, ob der Planet Erde im Zeitalter des Anthropozäns zu einem riesigen Zoo zu werden droht, erkundet Wolfram Eilenberger im Gespräch mit Severin Dressen.
6/24/202357 minutes, 13 seconds
Episode Artwork

Dipesh Chakrabarty – Wie lange ist unser Planet noch bewohnbar?

Die Menschen leben wie kleine Parasiten auf der Erde: Sie saugen die Natur aus, mit fatalen Folgen. Der indische Historiker Dipesh Chakrabarty fordert darum radikales Umdenken, weg von der menschlichen Perspektive. Yves Bossart spricht mit ihm über Bakterien, Biodiversität und Bagger. Der indische Historiker Dipesh Chakrabarty spricht lieber von der «Bewohnbarkeit der Erde» als von «Nachhaltigkeit». Er plädiert für eine Dezentrierung des Menschen in der Natur und für ein Denken in unmenschlichen Zeiträumen. Schliesslich sei der Mensch im «Anthropozän» längst zur bestimmenden Kraft des Planeten geworden: Jeden Tag sterben etwa 150 Arten aus – Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen. Überschwemmungen, Waldbrände und Dürren bedrohen den Lebensraum nicht nur von Menschen. Die Folgen sind Migration, Kriege, Ressourcenknappheit. Chakrabarty argumentiert, dass der Klimawandel eine neue Ära der menschlichen Geschichte eingeleitet hat, die er als «planetarisches Zeitalter» bezeichnet. Seine Forderung: Wir müssen ganz neu über den Menschen und die Natur nachdenken, wenn wir als Spezies eine Zukunft haben wollen. Wie das geht, darüber spricht er mit Yves Bossart.
6/17/202357 minutes, 1 second
Episode Artwork

Adom Getachew: Werden wir den Kolonialismus je überwinden?

Das 20. Jahrhundert war jenes der Dekolonisierung. Die jungen Nationalstaaten mussten aber bald feststellen, dass ihr Kampf um Gleichberechtigung hinter den hehren Idealen zurückblieb. Adom Getachew erzählt in einem preisgekrönten Buch packend von diesen Kämpfen, die bis ins Heute reichen. Von William Faulkner stammt der bekannte Satz: „Das Vergangene ist nicht tot; es ist nicht einmal vergangen. Das stimmt vielleicht für wenig so sehr wie für die Kolonialgeschichte, in deren Zuge Menschen versklavt und geknechtet wurden und Kulturen und Landschaften geplündert. Bis heute kämpfen wir mit dem Vermächtnis einer blutigen Geschichte, die unter anderem Grossteile Afrikas verarmt und zerrüttet zurückgelassen hat. Angetreten waren die antikolonialen Denker jener Zeit allerdings mit hehren Idealen und grossen Visionen für eine neue Weltwirtschaftsordnung und ein geeintes Afrika. In ihrem mehrfach preisgekrönten Buch «Die Welt nach den Imperien» zeichnet die äthiopisch-amerikanische Politikwissenschafterin Adom Getachew, Professorin an der Universität in Chicago, diese Geschichte packend nach – und entwirft aus dem historischen Vermächtnis eine Vision eines «postkolonialen Kosmopolitismus». Barbara Bleisch trifft die junge Wissenschaftlerin zum Gespräch und fragt nach, was globale Gerechtigkeit heute bedeutet und wie mit den Statuen von Kolonialherren zu verfahren ist.
6/10/202359 minutes, 58 seconds
Episode Artwork

Was spricht noch für die Ehe? Der Philosophische Stammtisch

Veraltet, patriarchal, einengend, ungerecht. Gerade aus feministischer Sicht wird immer wieder für die Abschaffung der Ehe argumentiert. Angesichts hoher Scheidungsraten hat auch der Absicherungsaspekt weitgehend ausgedient. Was spricht noch für die Ehe? Die Diskussion am Philosophischen Stammtisch. Die Ehe ist nach wie vor beliebt. Im letzten Jahr haben sich in der Schweiz über 40000 Personen das Ja-Wort gegeben. Das überrascht angesichts der Tatsache, dass die Scheidungsrate nach wie vor hoch ist, zwei von fünf Ehen gehen auseinander. Verheiratete sind in der Schweiz steuerlich sogar im Nachteil. Vielleicht überwiegt die Aussicht, rechtlich abgesichert zu sein – gerade auch, wenn Kinder im Spiel sind? Oder sind wir hoffnungslos romantisch? Der Grund liegt viel mehr im Patriarchat, ist die Politologin Emilia Roig überzeugt. Die Ehe gehört für sie abgeschafft. Liebe und Freundschaft können gefeiert und versprochen werden – doch dazu bedarf es weder Kirche noch Staat. Spricht tatsächlich noch etwas für die Ehe – vielleicht gerade der Umstand, dass wir sie heute freier wählen können denn je? Am Philosophischen Stammtisch diskutieren Barbara Bleisch und Wolfram Eilenberger mit der Politologin Emilia Roig und der Philosophin Svenja Flasspöhler.
5/27/202358 minutes, 56 seconds
Episode Artwork

Boris Cyrulnik – Trauma und Resilienz

Das Leben des französischen Neurologen und Psychiaters Boris Cyrulnik begann mit einem Trauma: Seine Eltern wurden von den Nazis getötet. Er selbst entkam mit sechs Jahren nur knapp dem Tod. Heute ist der 85-Jährige ein international gefragter Experte, wenn es um Traumata und Resilienz geht. Boris Cyrulnik hat eine bewegende Biografie. Als er fünf Jahre alt ist, werden seine Eltern deportiert und in den Konzentrationslagern von Auschwitz umgebracht. Er selbst kann sich verstecken, entkommt nur knapp dem Tod und wächst als Waisenkind bei Pflegefamilien und in diversen Pflegeheimen auf. Dieses frühe Trauma prägt sein gesamtes Leben und auch seine wissenschaftliche Forschung als Neuropsychiater und Professor in Toulon. Boris Cyrulnik ist heute 85 Jahre alt, seine Bücher sind Bestseller, und er gilt als einer der wichtigsten Experten, wenn es um Resilienz geht, um die Fähigkeit, besonders belastende, traumatische Erfahrungen zu überstehen – und manchmal sogar an ihnen zu wachsen. Yves Bossart spricht mit ihm über seine Biografie, über den Umgang mit Traumata, über das Rätsel der Resilienz und die Wurzeln des Fanatismus.
5/20/202359 minutes, 15 seconds
Episode Artwork

Muttersein: Natürlich kompliziert!

Wir alle haben eine, und etwa die Hälfte von uns könnte eine werden: eine Mutter! Die Entscheidung für oder gegen ein Kind ist – gerade für Frauen – mit Erwartungsdruck, Zweifeln und dem Gefühl der Überforderung verbunden. Und mit den bewusst kinderlosen Frauen hadert die Gesellschaft. Wir sind aber alle Geborene, zur Welt Gebrachte, wie Hannah Arendt es betonte, als Möglichkeit zum Neuanfang und letztlich zum politischen Handeln. Die Frage, ob man Nachwuchs will, wiegt schwer. Es ist aber weniger eine biologische Entscheidung als eine soziale: Es geht um ein Leben in Gemeinschaft, um Sinn, Glück, Selbstverwirklichung und Verantwortung. Zum Muttertag denken wir nach über Mutterschaft und Kindsein, über die komplizierte Frage, ob wir selber Kinder wollen und warum Elternschaft ein Wagnis ist. Unsere Mutter prägt uns wie kaum eine andere Figur im Leben. Doch was prägt Mütter in ihrem Verhältnis zu ihren Kindern? Und wie entscheiden heute Frauen, ob sie Mütter werden wollen? Eine wichtige Rolle spielt dabei die eigene Kindheit und die Beziehung zu unseren eigenen Müttern. Aber auch gesellschaftliche Erwartungen – denn Mütter stehen unter Beobachtung, Tag für Tag. Und noch viel stärker jene Frauen, die sich für ein Leben ohne Kinder entscheiden und trotzdem rundum glücklich sind. Ein philosophisches Gespräch zum Muttertag mit Johanna Dürrholz, FAZ-Redakteurin und Autorin («Die K-Frage»), Sarah Diehl, Publizistin und Autorin («Die Uhr, die nicht tickt») und Catherine Newmark, Philosophin, moderiert von Barbara Bleisch.
5/13/202359 minutes, 22 seconds
Episode Artwork

Norbert Bolz: Lob des alten weissen Mannes

Klimakatastrophe, Kriege, Kolonialverbrechen. Für alle Übel kennt unsere Gegenwart einen Schuldigen: den alten weissen Mann. Der Medienwissenschaftler Norbert Bolz widerspricht entschieden und stimmt im Streitgespräch mit Wolfram Eilenberger ein Loblied auf traditionell «männliche» Tugenden an. Klassisch «männliche» Tugenden haben es derzeit nicht leicht. Vor allem nicht solche, die mit dem «alten Europa» und seinen «weissen» Eliten verbunden sind. Denn die globale Zukunft, sie soll vor allem weiblich sein. Divers. Empathisch. Konsensorientiert. Für den Medienwissenschaftler Norbert Bolz ist das eine gefährliche gesellschaftliche Einbahnstrasse. Anstatt vor der Political Correctness und der woken Cancel Culture einzuknicken, plädiert er dafür, alles, wofür der «alte weisse Mann» in Wahrheit stehe, unbedingt zu bewahren und zu beschützen. Als konservativer Publizist sieht Bolz die westlichen Demokratien und ihre Universitäten gar in einen «kulturellen Bürgerkrieg» verwickelt, in dem eine von linker Seite aus propagierte Technologiefeindlichkeit und Traditionsvergessenheit die Grundlagen unserer demokratischen Systeme gefährden. Im Streitgespräch mit Wolfram Eilenberger legt Norbert Bolz seine Vision eines kommenden Konservatismus dar, mit dem sich seiner Meinung nach die offene Gesellschaft verteidigen – und die Klimakrise bewältigen liesse.
5/6/202358 minutes, 23 seconds
Episode Artwork

Schöne neue Arbeitswelt?

Die Arbeitswelt wandelt sich: flexible Arbeitszeiten, flache Hierarchien, agile Teams. Doch viele fühlen sich überfordert, sind erschöpft. Wie sollen wir unsere Unternehmen für die Zukunft aufstellen? Yves Bossart spricht mit der Leadership-Expertin Heike Bruch und dem Philosophen Martin Ebeling. Wir müssen die Arbeitswelt neu denken. So lautet das Mantra vieler Unternehmensberatungen. Die Welt sei dynamisch, unsicher und komplex. Um attraktiv und konkurrenzfähig zu sein, brauche es maximale Flexibilität, geteilte Verantwortung, flache Hierarchien und mobiles Arbeiten. Doch was, wenn die Angestellten überfordert und ausgelaugt sind? Welches Menschenbild liegt der Forderung nach Selbstorganisation und Selbstführung zugrunde? Was bedeutet Unternehmensethik in der heutigen Zeit, wo nach Beispielen wie dem aktuellen CS-Debakel Unternehmensführung nochmals ganz neu gedacht werden muss? Und was haben die Lehren antiker Philosophen mit modernem Management zu tun? Unter der Leitung von Yves Bossart diskutieren Heike Bruch, Professorin für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Leadership an der Universität St. Gallen, und Martin Ebeling, Philosoph und Leiter des Business Programms von der «School of Life» in Berlin.
4/29/202359 minutes, 24 seconds
Episode Artwork

Wer rettet den Kapitalismus vor sich selbst?

Bankenkrise, Klimakrise, Schuldenkrise – eine zufällige Häufung oder eine veritable Systemkrise? Immer öfters erklingt der Ruf nach einer radikalen Neuorientierung, ja nach einer Abschaffung des Kapitalismus. Ist die Forderung berechtigt oder naiv? Ein Streitgespräch. Der Kapitalismus war in Vielem ein Segen: Er hat Demokratie und Wohlstand gebracht und Millionen von Menschen aus der Armut gehievt. Darin sind sich die Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann und die Politikphilosophin Katja Gentinetta einig. Gentinetta sieht deshalb keinen Anlass, den Kapitalismus aufzugeben. Zwar macht die Klimakrise deutlich, dass man mit den Ressourcen schonender umgehen muss. Gentinetta vertraut dazu aber auf Innovationskraft, Effizienzsteigerung und grünes Wachstum. Herrmann, deren Buch Das Ende des Kapitalismus die Bestsellerlisten gestürmt hat, ist dagegen pessimistisch: Der Kapitalismus beruhe auf Wachstum, und Wachstum sei zwingend gekoppelt an fossile Energien. Alternative Energien seien nicht früh genug in ausreichendem Mass vorhanden, um die grüne Wende ohne grundlegenden Systemwandel herbeizuführen. Alles eine Frage des Vertrauens in die menschliche Innovationskraft also? Oder in die Lektionen der Geschichte? Zeigt nicht das CS-Debakel, dass man grundsätzlich über Systemfragen reden muss? Barbara Bleisch trifft die beiden Expertinnen zum Streitgespräch
4/22/202359 minutes, 29 seconds
Episode Artwork

Das Orakel der Gene – Mit Gentests zum besseren Leben?

Pränataltest, Neugeborenen-Screening, Gentherapie: Die Genetik macht schnelle Fortschritte. Die Wissenschaft weiss immer mehr und kann immer mehr verändern. Doch soll sie die Gene und damit das Leben so stark designen? Ein Gespräch über Möglichkeiten und Grenzen der Optimierung. Die Gene wissen vieles über die Menschen, und die Menschen wissen immer mehr über die Gene. Mithilfe von Gentests lässt sich ermitteln, ob ein werdendes Kind Anomalien aufweist oder wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass man im Alter an Darmkrebs erkranken wird. Insbesondere im Bereich der vorgeburtlichen Kontrolle wird immer mehr getestet. Man kann aber auch ins Erbgut eingreifen, es verändern und den werdenden Menschen optimieren. All dies wirft ethische Fragen auf. Zum Beispiel jene, wie man ein gelingendes Leben definiert. Yves Bossart spricht mit der medizinischen Genetikerin Isabel Filges und der Medizinethikerin Claudia Wiesemann über den Umgang mit neuen Möglichkeiten, über das Recht auf Nichtwissen und den zunehmenden Bedarf an genetischer Beratung.
4/15/202358 minutes, 39 seconds
Episode Artwork

Wie viele Waffen braucht es für den Frieden?

Putins Krieg gegen die Ukraine dauert über ein Jahr. Das menschliche Elend ist gewaltig. Lässt sich nur mit Waffen Frieden schaffen? Und wie könnte eine pazifistische Lösung aussehen? Yves Bossart im Gespräch mit der Friedensforscherin Lea Suter und dem Schriftsteller Jonas Lüscher. Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer forderten ein Jahr nach Kriegsbeginn in ihrem «Manifest für Frieden», die «Eskalation der Waffenlieferungen» an die Ukraine zu stoppen. Sie verlangen Verhandlungen mit Wladimir Putin. Wie aber bringt man einen Kriegsverbrecher zur Vernunft? Wie könnte eine pazifistische Position angesichts des russischen Angriffskriegs aussehen? Und welche Optionen bleiben der neutralen Schweiz in diesem Krieg? Über diese Fragen spricht Yves Bossart mit der Friedensreporterin Lea Suter, Präsidentin des «Forum für Friedenskultur», und mit dem Schriftsteller Jonas Lüscher.
4/1/202359 minutes, 4 seconds
Episode Artwork

Mit James Bridle die Welt neu sehen

James Bridle denkt unkonventionell: Die Natur ist nicht vom Recht des Stärkeren geprägt, sondern von Kooperation und Solidarität. Ökologie schliesst Technologie nicht aus – im Gegenteil. Und intelligent ist nur, was uns friedlich zusammenleben lässt. Zu schön, um wahr zu sein? James Bridle kommentiert seit vielen Jahren mit spitzer Feder digitaltechnologische Neuerungen für renommierte Medien wie den «Guardian», «Wired» oder «The Atlantic». In preisgekrönten Kunstwerken macht Bridle auf Missstände in der britischen Migrationspolitik aufmerksam und kritisiert die Aushöhlung unserer Privatsphäre durch Digitalkonzerne. Das neuste Buch «Die unfassbare Vielfalt des Seins. Jenseits menschlicher Intelligenz», das gerade weltweit für Furore sorgt, wirft einen unkonventionellen Blick auf unsere Umwelt; ein Blick, der zwischen Natur und Technik nicht länger unterscheidet. Ausschlaggebend ist allein die Frage: Wie können wir eine Zukunft bauen, in der Bäume, Tiere, Pilze, Menschen und künstliche Intelligenzen friedlich zusammenleben? Barbara Bleisch trifft James Bridle zu einem Gespräch, das gedankliche Grenzen sprengt.
3/25/202358 minutes, 50 seconds
Episode Artwork

Wie gefährlich ist China?

Chinas Führung greift im Innern hart durch und hat weltpolitisch grosse Ambitionen. Die Drohungen gegenüber den USA und die Annäherung an Russland lassen nichts Gutes vermuten. China-Experte Ralph Weber über ein Land zwischen Kommunismus, Kapitalismus, Konfuzius, Spionageballons und Friedenspapier. Der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jingping hat einen grossen Traum. China soll Weltmacht werden. Auch militärisch. Kontrolle nach innen, Expansion nach aussen, trotz verfehlter Covid-Politik, schwächelnder Wirtschaft und einer überalterten Bevölkerung. Der chinesische Drache speit Feuer: Vor kurzem hat Chinas Präsident seine Gegenspieler beschuldigt, seinem Land Schaden zuzufügen. Westliche Länder, angeführt von den USA, hätten China rundum abgeschottet, eingekreist und unterdrückt. Die Konfrontation mit den USA spitzt sich zu, mit Blick auf die Ukraine, aber auch bezüglich Taiwan. Wie soll der Westen mit China umgehen? Wieviel gute Miene verträgt es angesichts von Zensur und Menschenrechtsverletzungen? Und welche Ideen treiben die chinesische Führung an? Yves Bossart im Gespräch mit Ralph Weber, China-Experte und Professor für European Global Studies am Europainstitut der Universität Basel, und mit Martina Fuchs, Europa-Wirtschaftskorrespondentin für die chinesische staatliche Nachrichtenagentur Xinhua und Kommentatorin für China Radio International (CRI).
3/18/202359 minutes, 37 seconds
Episode Artwork

Jenseits von Europa – Eine neue Weltgeschichte des Denkens

Griechenland als Wiege der Demokratie, Europa als Kontinent der Aufklärung – stimmt das eigentlich? Oder beruht das kulturelle Selbstverständnis auf faktenfernen Mythen und kolonialen, ja rassistischen Ausgrenzungen? Ein Gespräch über ein neues, wahrhaft globales Verständnis von Philosophie. Alles begann mit den alten Griechen, dann kam das dunkle Mittelalter, die Renaissance brachte einen neuen Aufbruch, bis die Aufklärung das Licht der Vernunft und Freiheit in die moderne Welt trug. Das alles, natürlich, von Europa aus. Das alles, natürlich, vorrangig dank genialer männlicher Einzeldenker. So lautet die Standardgeschichte, die sich das sogenannte Abendland seit gut 250 Jahren über sich selbst erzählt. Als eigentliche Wiege der Philosophie, universaler Werte, moderner Wissenschaft. Doch tritt im Zuge neuer Forschungen sowie einer wahrhaft globalen Geschichtsschreibung immer deutlicher hervor, wie radikal unvollständig, grotesk einseitig, teilweise schlicht falsch und nicht zuletzt kolonial und rassistisch verengt dieser Blick auf die Geschichte des Denkens ist. Steht im Zeichen eines geweiteten Geschichtsbewusstseins eine Revolution des gesamten Selbstverständnisses an? Und wenn ja, mit welchen Folgen für eine Philosophie und globale Kultur der Zukunft? Barbara Bleisch erkundet mit der Philosophin Anke Graneß, Autorin des Buches «Philosophie in Afrika», und dem Philosophen Peter Adamson, unter anderem Host des Podcasts «History of Philosophy without any gaps», Folgen und auch Fallstricke einer dekolonialisierten Philosophiegeschichte.
3/11/202358 minutes, 27 seconds
Episode Artwork

Chatbot GPT – Das Ende der Kreativität?

Der Text-Roboter ChatGPT verblüfft mit geschliffenen Dialogen und hat einen Hype um das Thema künstliche Intelligenz ausgelöst. Das mit gewaltigen Datenmengen gefütterte Programm sorgt aber auch für Skepsis. Frageg am Philosophischen Stammtisch: Haben wir als denkende, kreative Wesen ausgedient? Mithilfe künstlicher Intelligenz entstehen Texte, Gemälde, Musikstücke auf Knopfdruck, in Sekundenschnelle. Schüler und Studentinnen lassen sich Arbeiten von der Sprachsoftware schreiben, die sich gegenwärtig nur schwerlich als Plagiate enttarnen lassen dürften. Wissenschaftler und KI-Expertinnen warnen vor Datenschutz- und Datensicherheitslücken, aber auch vor einer Verengung des Wissensbestands, weil ein Chatbot nur neu kombiniert, womit er gefüttert wurde. Chatbots könnten zu Fake-News-Schleudern und letztlich zur Gefahr für die Demokratie verkommen. Hat der Mensch als kreatives, denkendes Wesen ausgedient? Oder eröffnen sich ungeahnte Ressourcen, die schöpferischen Kräfte auszuweiten? Barbara Bleisch und Wolfram Eilenberger diskutieren am Philosophischen Stammtisch mit der Kulturwissenschaftlerin Mercedes Bunz und dem Philosophen und Literaturwissenschaftler Hannes Bajohr. 
3/4/202359 minutes, 52 seconds
Episode Artwork

Die neuen Konflikte der Freiheit

Immer mehr Menschen fühlen sich vom Staat gegängelt, gar entmündigt. Und zwar in Gesellschaften, die noch nie so viel Selbstbestimmung ermöglichten wie heute. Warum das so ist und weshalb diese Entwicklung unsere Demokratien gefährdet, erklären die Soziologen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey. Sie protestieren als mündige Bürger – und vertreten krude Verschwörungstheorien. Sie wehren sich gegen staatliche Bevormundung – und sympathisieren dabei mit Demokratiefeinden wie Wladimir Putin. Sie meditieren und bevorzugen alternative Heilmethoden – und zeigen sich offen für fremdenfeindliche Diskurse. Was scheinbar nicht zusammenpasst, ergibt in den Augen von Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey nur gefährlich guten Sinn. Denn auf den Spuren von Theodor W. Adorno und Marx Horkheimer analysiert das Autorenpaar in seinem aktuellen Buch «Gekränkte Freiheit – Aspekte eines libertären Autoritarismus» einen neuen Protesttypus, dessen ständig steigende Unzufriedenheit mit «dem System» die westlichen Demokratien zunehmend herausfordert, gar von innen heraus gefährdet. Weder links noch rechts, weder konservativ noch progressiv, gibt es für diese Menschen vor allem eine Instanz, nach der sie sich richten: ihr eigenes Ego, dessen Freiheitsehnsüchte und mutmaßlich natürlichen Privilegien. Wolfram Eilenberger spricht mit den Autoren über ein Phänomen, dessen richtige Deutung über die Zukunft unserer offenen Gesellschaften entscheiden mag.
2/25/202358 minutes, 42 seconds
Episode Artwork

Sehnsucht Ekstase – Von LSD bis zum Yogaretreat

Von Eisbaden über Meditation bis zu Ayahuasca. Die spirituelle Suche nach Ekstase und Klarheit boomt. Ebenso wie die Forschung mit LSD und Co. Was steckt hinter diesem Revival des Rausches? Ein Gespräch über neue Drogen und uralte Rituale – auf der Suche nach dem grossen Einssein mit der Welt. Ob LSD, Zauberpilze oder Ecstasy – durch den kontrollierten Einsatz psychoaktiver Drogen erhofft man sich derzeit neue Erfolge bei der Behandlung psychischer Erkrankungen. Psychedelische Substanzen wie etwa Ayahuasca spielten aber auch seit jeher in verschiedenen Religionen eine Rolle. Sie können zu mystischen und spirituellen Erfahrungen führen, lösen Gefühle wie Verbundenheit und Einssein mit der Welt und dem Göttlichen aus. Rausch, Trance und Ekstase gibt es aber auch ohne Drogen: beim Tanzen, in der Askese, beim Eisbaden oder der Meditation. Was steckt hinter dem neuen Trend zur Ekstase? Braucht es dazu Drogen? Und wo liegen die Gefahren? Das klären Olivia Röllin und Yves Bossart in einer Begegnung der Sternstunden Religion und Philosophie. Yves Bossart nimmt an einem Schwitzhüttenritual teil. Olivia Röllin spricht im Studio mit dem Psychiater Gregor Hasler (Autor von «Higher Self. Psychedelika in der Psychotherapie») und Benedikt Sarreiter (Co-Autor von «Ekstasen der Gegenwart. Über Entgrenzung, Subkulturen und Bewusstseinsindustrie»).
2/18/202355 minutes, 54 seconds
Episode Artwork

Zur Zukunft der Menschheit: Soll und darf es uns weiter geben?

2022 hat die Weltbevölkerung erstmals die 8 Milliarden-Marke geknackt. Ab 2050 soll jedoch die Trendwende folgen und die Menschheit schrumpfen. Wird künftig der Bevölkerungsschwund sogar zum Problem? Barbara Bleisch fragt den Philosophen und Populationsethiker Tim Henning: Wie viele sollen wir sein? Erstmals leben auf der Erde mehr als 8 Milliarden Menschen. Angesichts von Klimawandel und Hungersnöte für einige klar zu viele. Manche gehen sogar so weit zu sagen, es wäre ohnehin das Beste, die Menschheit stürbe schnellstmöglich aus. Aber besser für wen: Für den Planeten? Für die Tiere? Oder für bereits geborene Menschen? Was jedoch ist dann mit zukünftigen Generationen, dürfen wir einfach entscheiden, dass es sie nicht geben soll? Demografen sagen voraus, dass sich ab 2050 das Bevölkerungswachstum ohnehin verlangsamen und die Menschheit sogar schrumpfen wird. Wird also dereinst der Bevölkerungsrückgang zum eigentlichen Problem? Eines ist klar: Populationsethische Fragen verstricken uns in Widersprüche und äusserst komplizierte Fragen: Darf man überhaupt ungefragt neue Menschen zur Welt bringen? Wann ist ein Leben hinreichend gut, dass sich das Leben lohnt? Wie wäre es, der letzte Mensch auf Erden zu sein? Der Philosoph Tim Henning hat unter dem Titel „Die Zukunft der Menschheit. Soll es uns weiter geben? soeben ein Buch über Populationsethik geschrieben. Barbara Bleisch wagt sich mit ihm an die heiklen Fragen.
2/11/202359 minutes, 59 seconds
Episode Artwork

Klima- und Energiekrise: Wer muss handeln?

Strom und Gas sind knapp. Der Mangel ist das neue Normal. Müssen wir radikal umdenken angesichts der Energie- und Klimakrise? Wer muss verzichten? Wer muss handeln? Yves Bossart spricht mit der Soziologin Katharina Hoppe und dem Umweltethiker Ivo Wallimann-Helmer über Verantwortung in Krisenzeiten. Zu wenig Gas für den Winter, Strommangel und andere Versorgungsengpässe. Der Ausbau erneuerbarer Energien wurde verschleppt, der Ruf nach fossiler und nuklearer Energie dagegen wird angesichts der Energiekrise lauter. Gefordert sind rasches Handeln und mehr Verzicht. Auch angesichts der Klimakrise. Doch wie geht Verzicht, ohne damit den sozial Schwächeren zu schaden? Wie gehen ökologische und soziale Verantwortung zusammen? Und wie geht man mit jenen um, die sich vor der Verantwortung drücken? Zwang als letztes Mittel, zur Not auch ohne Demokratie? Yves Bossart im Gespräch mit der Soziologin Katharina Hoppe und dem Philosophen und Umweltethiker Ivo Wallimann-Helmer.
2/4/202359 minutes, 11 seconds
Episode Artwork

Mai Thi Nguyen-Kim: Der Wow-Effekt der Wissenschaft

Ob bei Klimakrise, Pandemie oder Gender-Streit: Follow the Science! Denn nur wo Fakten geklärt sind, kann Streit produktiv werden. Die mehrfach preisgekrönte Wissenschaftskommunikatorin und YouTuberin Mai Thi Nguyen-Kim über ihre Mission einer neuen Aufklärung. Wer sich vorrangig an wissenschaftlichen Erkenntnissen ausrichtet, streitet weniger, entscheidet klüger, lebt bewusster. Davon jedenfalls ist Mai Thi Nguyen-Kim überzeugt. Vor allem mit ihrem mehrfach preisgekrönten YouTube-Kanal «maiLab» begeistert sie seit Jahren ein Millionenpublikum für das Abenteuer Naturwissenschaft. Und zwar in durchaus politischer Mission: Denken Männer und Frauen unterschiedlich? Ist Intelligenz erblich? Was steckt hinter der Erderwärmung? Und natürlich auch: Wann endet Corona? Fragen, an denen bekanntlich nicht nur Freundschaften, sondern ganze Demokratien zerbrechen können. Wie wissenschaftliche Aufklärung heute aussehen muss, welche Methoden und Kenntnisse dafür erforderlich sind und nicht zuletzt, wann und wozu die Wissenschaft besser schweigen sollte, erklärt die 35-jährige promovierte Chemikerin im Gespräch mit Wolfram Eilenberger.
1/28/20231 hour, 27 seconds
Episode Artwork

Ivan Krastev – Der Krieg in der Ukraine und die Zukunft Europas

330 Tage dauert der Krieg in der Ukraine nun. Er bringt unermessliches Leid über Millionen von Menschen, verändert aber auch die politische, wirtschaftliche und psychologische Landkarte Europas fundamental. Barbara Bleisch im Gespräch mit dem renommiertem Osteuropaexperten Ivan Krastev.
1/21/20231 hour, 59 seconds
Episode Artwork

Isolde Charim – Wie narzisstisch ist unsere Gesellschaft?

Der Narzissmus ist die vorherrschende Ideologie unserer Zeit, der Antrieb unserer Konkurrenzgesellschaft. Das behauptet die österreichische Philosophin Isolde Charim. Yves Bossart spricht mit ihr über den Tanz ums Ich, über die Gefahren der Selbstausbeutung und über selbstgefällige Moralapostel. Wir alle sind narzisstisch. Die Gesellschaft verlangt das von uns. Diese Behauptung entwickelt die österreichische Philosophin und Publizistin in ihrem Buch «Die Qualen des Narzissmus. Über freiwillige Unterwerfung». Wir alle hätten uns längst einem Ich-Ideal unterworfen, dem wir hinterherjagen – immer auf der Suche nach Bewunderung, Einzigartigkeit und Erlösung vom ständigen Konkurrenzdruck. Doch diese Suche sei vergeblich. Der Narzissmus sei nämlich die grosse Ideologie unserer Zeit, eine illusionäre Sehnsucht, die uns antreibt und knechtet zugleich. Stimmt das? Was heisst hier Narzissmus? Und wie kommen wir da wieder raus? Yves Bossart im Gespräch mit Isolde Charim.
1/14/202358 minutes, 31 seconds
Episode Artwork

Zeit, unsere kostbarste Ressource

«Alles hat seine Zeit, nur ich hab keine!» Der flapsige Spruch dürfte vielen aus dem Herzen sprechen. Doch warum ist Zeit eine so knappe Ressource, und liesse sie sich gerechter verteilen? Barbara Bleisch fragt nach bei der Journalistin Teresa Bücker und dem Soziologieprofessor Hartmut Rosa. Im Zeitsparen müssten wir Weltklasse sein: Wir finden die grosse Liebe beim «Speed Dating», essen «Fast Food», züchten «Turbomais» und steigen in den Hochgeschwindigkeitszug. Doch obwohl wir so hochtourig leben wie nie zuvor, stellt sich die grosse Ruhe nicht ein. Für den Soziologen und Beschleunigungstheoretiker Hartmut Rosa findet sich der Grund in der «dynamischen Stabilisierung» moderner Gesellschaften: Wir können nur erhalten, was wir haben, wenn wir uns permanent steigern. Teresa Bücker, die mit ihrem Buch «Alle Zeit. Eine Frage von Macht und Freiheit» grosse Erfolge feiert, sieht unsere Zeitnot auch im System begründet. Allerdings leiden nicht alle gleichermassen unter Zeitarmut. Bücker fordert deshalb eine gerechtere Verteilung der Ressource Zeit. Wie wir uns als Gesellschaft beruhigen und unsere individuelle Sehnsucht nach Zeit stillen, darüber diskutieren die beiden mit Barbara Bleisch.
1/7/20231 hour, 58 seconds
Episode Artwork

Atheistisch glauben – ein Widerspruch?

In der Schweiz glauben immer weniger an einen Gott als allmächtigen und gütigen Vater im Himmel. Viele glauben jedoch, dass da «irgendwie mehr» sein muss. Der Religionsphilosoph und Theologe Hartmut von Sass plädiert für einen atheistischen Glauben. Wie das gehen soll, fragt Barbara Bleisch. Auch wenn die Kirchen zunehmend leer bleiben, drängen sich zu Hochzeiten, Trauerfeiern und Weihnachten nach wie vor viele in die Bänke. Und es zeigt sich, dass trotz der unzähligen Kirchenaustritte Menschen nicht weniger glauben, aber an anderes denn an einen allgütigen und allwissenden Vater, der im Himmel thront. Der Theologieprofessor und Religionsphilosoph Hartmut von Sass geht einem Glauben auf den Grund, der ohne einen Gott auskommt. Zu glauben heisst für ihn, sich in einer bestimmten Haltung auf die Welt zu beziehen. Aber was bleibt vom christlichen Glauben, wenn es Gott Vater nicht mehr gibt? Kann ein atheistischer Glaube zukunftsfähig sein? Mit Hartmut von Sass spricht Barbara Bleisch.
12/24/202257 minutes, 51 seconds
Episode Artwork

Kim de l’Horizon – Befreit eure Körper!

Kim de lHorizon hat für den Roman «Blutbuch» den Deutschen sowie den Schweizer Buchpreis erhalten. Yves Bossart spricht mit der non-binären Autorperson über die Kategorien Mann und Frau, über Körper- und Sprachbilder – und über die Heilung kollektiver Traumata durch Schamanismus und Hexerei. Kim de lHorizon hat eine Sensation geschafft. Zwei Buchpreise in einem Jahr – für den Debütroman einer non-binären Person, die sich weder als Mann noch als Frau identifiziert. Kim de lHorizon ist in der Schweiz aufgewachsen, hat Germanistik und literarisches Schreiben studiert und über zehn Jahre an dem Roman gearbeitet. «Blutbuch» erzählt die Geschichte einer non-binären Person, die auf der Suche nach dem eigenen Körper und der eigenen Herkunft ist. Das Buch kreist in verschiedenen Sprachstilen und Formen um Themen wie Körper, Angst, Geschlecht, Sprache, Prägung, Trauma und Verwandlung. Yves Bossart spricht mit Kim de lHorizon über den Raum zwischen Mann und Frau, über die Magie von Sprache und über die tiefe Sehnsucht nach Verbundenheit.
12/17/202258 minutes, 4 seconds
Episode Artwork

Quiet Quitting – Gut leben statt gut arbeiten?

«Quiet Quitting» wird in den Sozialen Medien heiss diskutiert: Schluss mit Überstunden und extra Effort am Arbeitsplatz. Geleistet wird nur noch, was der Vertrag verlangt, also Dienst nach Vorschrift. Mehr zum Zug kommen sollen Familie und Freizeit. Steht ein grundlegender Wandel der Arbeitswelt an? Den Begriff «Quiet Quitting» mit in die Welt gesetzt hat ein junger Mann auf TikTok. Er definiert Quiet Quitting so: «Du kündigst nicht deinen Job, arbeitest aber nicht mehr als dein Vertrag vorsieht. Arbeit ist nicht dein Leben, dein Wert als Mensch definiert sich nicht über deine Produktivität.» Vor allem die Generation Z, aber auch die Millenials, wollen die Fehler ihrer Eltern nicht wiederholen. Das heißt: sich nicht im Job verausgaben oder sich über die Arbeit definieren. Wochenenddienste werden abgelehnt, nach Feierabend keine Anrufe mehr angenommen, auch nicht mehr ins Mail-Postfach geschaut. Plädiert wird für mehr Lebenszeit statt Konsum und Karriere, für eine ausgeglichene Work-Life-Balance. Workaholic möchte heute niemand mehr sein. Stattdessen sehnt man sich danach, die Welt zu bereisen und sich Sinnvollem zu widmen. Ein klassischer «Nine to Five»-Job? Uncool. Und die Folgen: Steht ein fundamentaler Wandel Arbeitswelt bevor? Ist es überhaupt vernünftig, am Arbeitsplatz nach Sinn zu suchen? Lebt es sich als «stiller Drückeberger» vielleicht sogar besser? Oder ist «Quiet Quitting» nur das nächste Level der Wohlstandsverwahrlosung? Am Philosophischen Stammtisch diskutieren Barbara Bleisch und Wolfram Eilenberger mit ?eyda Kurt, Journalistin, Kolumnistin und Autorin, und mit Konrad Liessmann, Philosoph und Essayist.
12/10/202259 minutes, 20 seconds
Episode Artwork

Susanne Burri – Was der Tod mit unserem Leben macht

Krankheiten, Kriege und Katastrophen rücken den Tod in das Bewusstsein. Was bedeutet das für das Leben? Und wie geht eigentlich sterben lernen? Yves Bossart spricht mit der Philosophin Susanne Burri über den Tod, über seine Rolle in der Gesellschaft und über die Sehnsucht nach Unsterblichkeit. Susanne Burri ist Juniorprofessorin für Philosophie an der Universität Konstanz und beschäftigt sich intensiv mit Themen wie Krieg, Tod und Sterblichkeit. Sie glaubt, dass das Nachdenken über den Tod das Leben verbessert. Aber auch, dass man als Gesellschaft den Tod noch immer verdrängen. Bereits der antike Philosoph Epikur sprach von einer «verdrängten Angst vor dem Tod». Welche Folgen diese Verdrängung hat, ob der Tod schlimm ist und ob ein 200-jähriges Leben langweilig ist – darüber spricht Yves Bossart mit der Schweizer Philosophin.
12/3/20221 hour, 36 seconds
Episode Artwork

Lukas Bärfuss: Wie wir die Fesseln der Herkunft sprengen

Lukas Bärfuss, das ist der weltbekannte Schriftsteller, Büchner-Preisträger, Ehrendoktor. Lukas Bärfuss, das ist auch der zeitweilig Obdachlose, der Arbeitslose, der Sohn eines Delinquenten. Warum wir mehr sind als unsere Herkunft und wer am Klassismus ein Interesse hat: Barbara Bleisch fragt nach. Lukas Bärfuss hat das Erbe seines Vaters ausgeschlagen. Denn ausser Schulden hat der Vater seinem Sohn nichts hinterlassen. An Hab und Gut zurückgeblieben ist einzig eine Kiste, die der Schriftsteller jahrelang nicht angerührt hat. Als er sie öffnet, findet er darin nichts Nennenswertes – kommt aber ins Sinnieren über die eigene Herkunft, über seine Familiengeschichte, übers Erben und über Hinterlassenschaften. Seine Gedanken hat er in seinem neusten Buch «Vaters Kiste» zu einem sehr persönlichen Essay gewoben, in dem er auch von seiner Zeit als Obdachloser berichtet und dem lebenslangen Ringen, seine Herkunft abzustreifen. Barbara Bleisch trifft den grossen Schweizer Intellektuellen zu einem Gespräch über Familie und Abstammung, über Generationengerechtigkeit und über unsere «Herkunftsneurose».
11/26/202257 minutes, 28 seconds
Episode Artwork

Emilia Roig – Eine Welt ohne Rassismus und Unterdrückung

Emilia Roig kennt als «queere», schwarze Frau Diskriminierung aus eigener Erfahrung. Die Politologin, Aktivistin, Autorin von «Why We Matter» und Gründerin des Center for Intersectional Justice in Berlin kämpft für radikale Gleichberechtigung. Als Kind einer aus Martinique stammenden schwarzen Mutter, eines jüdisch-algerischen weissen Vaters und Enkelin eines glühenden Anhängers der rechtspopulistischen Partei «Front National» erkannte Emilia Roig schon sehr früh, wie verschiedene Formen von Diskriminierung in Institutionen wie der Schule, seitens der Gesellschaft, aber auch innerhalb der eigenen Familie auftreten können. Diskriminierung innerhalb von Diskriminierung bzw. die Überschneidung von verschiedenen Diskriminierungsformen - «Intersektionalität» – wurde später zu ihrem Forschungsschwerpunkt. Wie können solche Verschränkungen von verschiedenen Unterdrückungsformen erkannt und aufgelöst werden? Ist eine Welt ohne Diskriminierung überhaupt möglich? Und wie kommt man dahin? Ein Gespräch unter der Leitung von Yves Bossart.
11/19/20221 hour
Episode Artwork

Gabriele von Arnim – «Wenn du stirbst, bringe ich dich um»

Nach zwei Schlaganfällen kann der Mann von Autorin Gabriele von Arnim kaum mehr sprechen, ist halbseitig gelähmt und stark pflegebedürftig. Wie macht man weiter, wenn ein Schicksalsschlag einen aus allem herauskatapultiert, das bisher war? Barbara Bleisch fragt nach. Eigentlich wollte Gabriele von Arnim ihren Mann nach langer Ehe verlassen. Doch am selben Tag, als sie ihm ihren Entscheid mitteilt, erleidet er einen Schlaganfall, wenige Tage später einen zweiten. Von da an ist der zuvor weitbekannte und eloquente Fernsehjournalist plötzlich ein Kranker, der statt sprechen nur noch unverständlich würgen und krächzen, nicht mehr gehen, lesen oder schreiben, aber nach wie vor glasklar denken kann. Noch im Spital flüstert ihm Gabriele von Arnim zu: «Wenn du stirbst, bringe ich dich um», und bleibt bei ihm, bis zu seinem Tod. Diese zehn Jahre werden für beide zu einer Zerreissprobe, in der sich Angst, Hoffnung, Hilflosigkeit und Wut ständig abwechseln, in der sie sich aber auch in nicht mehr gekannter Innigkeit neu begegnen. In ihrem Buch «Das Leben ist ein vorübergehender Zustand» beschreibt die Journalistin schonungslos und ehrlich, was es bedeutet, wenn der eigene Mann über Nacht zum Pflegefall wird und aus einem selbst die Frau des Kranken. Und wie einsam ein Mensch ist, der sich trotz hellwachem Geist nicht mehr ausdrücken kann und dessen Freunde sich abwenden aus einem Schamgefühl heraus oder aus schierer Verunsicherung. Ein Gespräch über Schicksalsschläge, Trauer und das Weiterleben.
11/12/202258 minutes
Episode Artwork

Werner Herzog – Das Leben als Grenzsituation

Erstbesteigungen, Vulkanausbrüche, Flugzeugabstürze. Werner Herzogs Filme handeln fast alle von extremen Ereignissen und Charakteren, sie zeigen absolute Grenzsituationen menschlicher Existenz. Warum tut er sich das immer wieder an, was treibt ihn an? «Aguirre, der Zorn Gottes», «Fitzcarraldo» oder «Queen Of The Desert» - Werner Herzog dreht Filme über herausragende Figuren in Grenzsituationen, über 80 sind es bereits. Dieses Jahr feiern gleich zwei seiner Filme Premiere. Dabei wechselt Herzog scheinbar mühelos zwischen Spiel- und Dokumentarfilm, gilt im Filmgeschäft eher als Solitär, inszenierte Opern in Mailand und Bayreuth und betätigt sich inzwischen auch als Autor. Mit «Jeder für sich und Gott gegen alle» legte er kürzlich seine Memoiren vor. Darin beschreibt der Autorenfilmer unter anderem seine Kindheit in Bayern, als die Bauern noch ausschliesslich mit Pferden arbeiteten und die Breaking News per Ausrufer auf dem Dorfplatz verbreitet wurden. Im Gespräch mit Wolfram Eilenberger spricht Herzog über die beschwerliche Suche nach dem richtigen Bild, über die Ehrfurcht vor der Schöpfung und über das Staunen als Anfang jeder Kunst.
11/5/202258 minutes, 31 seconds
Episode Artwork

Rudolf Steiner und die Anthroposophie

Rudolf Steiner hat fraglos ein grosses Erbe hinterlassen: von den Steiner-Schulen über Demeter bis zu Weleda. Wer aber war der umstrittene Begründer der Anthroposophie? Woran glaubte er wirklich? Das klären Yves Bossart und Olivia Röllin in einer Begegnung der Sternstunden Religion und Philosophie. Vor rund hundert Jahren hat der Österreicher Rudolf Steiner in vielen Lebensbereichen wegweisende Impulse gegeben: Von der Pädagogik über die biodynamische Landwirtschaft und anthroposophische Medizin bis zur Architektur und dem Bankenwesen. Doch immer wieder wird Kritik laut, an Steiners Schriften, die klare deutschnationalistische Züge aufweisen, oder an Steiner Schulen, die sich teilweise den Corona-Massnahmen widersetzten. Weshalb? Welches Weltbild verbirgt sich hinter der «Anthroposophie»? Was hat es mit Steiners Glauben an «Hellseherei», «Karma» und «Astralleibern» auf sich? Um diese Fragen zu klären, besucht Olivia Röllin eine Steiner Schule in Münchenstein bei Basel und das Goetheanum, den Sitz der «Allgemeinen anthroposophischen Gesellschaft» in Dornach. Yves Bossart spricht im Studio mit der Anthroposophin und Steiner-Biografin Martina Maria Sam und mit dem Anthroposophie-Kritiker und Religionsphilosophen Ansgar Martins.
10/29/20221 hour, 31 seconds
Episode Artwork

Medizin-Nobelpreisträger Svante Pääbo: Tatort Genom

Der schwedische Wissenschaftler Svante Pääbo hat den Nobelpreis für Medizin erhalten. Er wird für seine Arbeit an der Sequenzierung des Genoms des Neandertalers geehrt - einer ausgestorbenen Spezies, die eng mit dem modernen Menschen verwandt ist. SRF wiederholt die Sternstunde mit ihm. In China sollen die ersten genetisch modifizierten Babys das Licht der Welt erblickt haben. Der Tabubruch zeigt, wie weitreichend die Gentechnik das Leben auf diesem Planeten revolutionieren kann. Kein Wissenszweig hat in den letzten Jahrzehnten grössere Erkenntnisfortschritte erzielt als die Humangenetik. Die damit verbundenen Fragen betreffen den Kern unserer Lebensform: Welche Gene sind es, die uns spezifisch zu Menschen machen? Wie viel „Neandertaler steckt noch in uns? Welche Formen der Diagnostik und Heilung versprechen neue Techniken und Eingriffsmöglichkeiten? Sind wir gar auf dem Sprung zu einem neuen, genetisch optimierten Übermenschen? Mit der Bioethikerin Effy Vayena und dem Paläogenetiker Svante Pääbo erörtert Wolfram Eilenberger Grenzen, Gefahren und utopische Möglichkeiten der Humangenetik. Eine Wiederholung vom 16.12.2018
10/22/202256 minutes, 57 seconds
Episode Artwork

Nie wieder Winnetou? Philo-Stammtisch zu kultureller Aneignung

Ein neuer Kampf der Kulturen tobt inmitten der Gegenwart: Ist es kolonialistisch, Karl Mays Winnetou-Romane zu lesen? Rassistisch, als Schweizerin Dreadlocks zu tragen? Wem, wenn überhaupt, gehören kulturelle Besonderheiten? Und wer darf sie sich aus welchen Gründen einfach aneignen? Wollten Sie früher Indianerhäuptling werden? Oder Prinzessin aus dem Morgenland? Lieben Sie Reggae-Musik? Malen Ihre Kinder Mandalas aus? Kochen sie zu Hause Sushi – und zwar nach dem Rezept eines britischen Star-Kochs? Kaum ein Thema, das derzeit mehr Streit erzeugt als das der „kulturellen Aneignung. Wo progressive Aktivistinnen auf Bewusstwerdung der kolonialen, oft offen rassistischen Aneignungsmuster im Herzen gerade der westlichen Kultur bestehen, sorgen sich andere, ob nicht gerade dadurch rechtspopulistische Ideen von „kultureller Reinheit, gar der Mythos vom „edlen Wilden wieder Einzug in unser Denken halten. Beruht das, was menschliche Identität ausmacht, nicht immer schon auf Offenheit für Fremdes? Sollten kulturelle Eigenheiten wirklich wie Marken vor dem Zugriff Fremder geschützt werden? Oder fragt so etwas nur, wer über Jahrhunderte daran gewöhnt ist, sich einfach zu nehmen, was beliebt? Im Gespräch mit Mithu Sanyal, Kulturwissenschaftlerin und Autorin von „Identitti, und Jens Balzer, Autor von „Ethik der Appropriation, gehen Barbara Bleisch und Wolfram Eilenberger am philosophischen Stammtisch der „kulturellen Aneignung auf den Grund.
10/15/20221 hour, 42 seconds
Episode Artwork

Klima- und Energiekrise: Wer muss handeln?

Strom und Gas sind knapp. Der Mangel ist das neue Normal. Müssen wir radikal umdenken angesichts der Energie- und Klimakrise? Wer muss verzichten? Wer muss handeln? Yves Bossart spricht mit der Soziologin Katharina Hoppe und dem Umweltethiker Ivo Wallimann-Helmer über Verantwortung in Krisenzeiten. Zu wenig Gas für den Winter, Strommangel und andere Versorgungsengpässe. Der Ausbau erneuerbarer Energien wurde verschleppt, der Ruf nach fossiler und nuklearer Energie dagegen wird angesichts der Energiekrise lauter. Gefordert sind rasches Handeln und mehr Verzicht. Auch angesichts der Klimakrise. Doch wie geht Verzicht, ohne damit den sozial Schwächeren zu schaden? Wie gehen ökologische und soziale Verantwortung zusammen? Und wie geht man mit jenen um, die sich vor der Verantwortung drücken? Zwang als letztes Mittel, zur Not auch ohne Demokratie? Yves Bossart im Gespräch mit der Soziologin Katharina Hoppe und dem Philosophen und Umweltethiker Ivo Wallimann-Helmer.
10/8/202259 minutes, 11 seconds
Episode Artwork

Michael Sandel: Das Leistungsdenken zersetzt unsere Gesellschaft

You can make it if you try! Diese Formel ist breit akzeptiert, ebenso der Glaube, dass wer zu Erfolg und Wohlstand kommt, das auch verdient. Michael Sandel, einer der erfolgreichsten Philosophen, sagt: Das stimmt nicht und ist sogar gefährlich für die Gemeinschaft. Barbara Bleisch hakt nach. Wer hat in unserer Gesellschaft Erfolg – und warum? Unter dem gesellschaftlich unumstrittenen Mantra «Wer hart arbeitet, kann alles erreichen» haben wir gelernt zu glauben, dass jeder genau das bekommt, was er oder sie verdient. Die Nutzniesser dieses Systems, das Erfolg auf Leistung und Talent zurückführt, gehen davon aus, dass sie ihren Erfolg verdienen, weil sie sich angestrengt haben. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass diejenigen, die am System scheitern, selbst schuld sind. Das Resultat: Verlierer des Systems wenden sich zunehmend gegen die Eliten unserer Gesellschaften und empfinden die Leistungsgesellschaft als Tyrannei. Michael Sandel, Professor an der Harvard Universität und einer der erfolgreichsten Philosophen der Gegenwart, hat genau zu dieser These ein Buch verfasst. Im Gespräch mit Barbara Bleisch erklärt er: Statt den Einzelnen für den Wettbewerb zu rüsten und an einer trennenden Ethik des Erfolgs festzuhalten, sollten wir die Würde der Arbeit wieder ins Zentrum der gesellschaftlichen Debatte rücken und an einer Politik des Gemeinwohls arbeiten, die allen zugutekommt.
10/1/202258 minutes, 52 seconds
Episode Artwork

Evgeny Morozov – Wem gehört das Internet?

Der belarussische Publizist Evgeny Morozov ist einer der ersten und einflussreichsten Kritiker der Internetgiganten Google, Facebook und Co. Er fordert gar eine Rückeroberung unserer Daten. Yves Bossart spricht mit ihm über die Verstrickungen von Technik, Geld und Politik – und fragt: Was tun? Milliarden von Menschen nutzen Millionen von Apps und Webseiten im Internet. Einige wenige Konzerne greifen die User-Daten und Umsätze ab: Google, Apple, Facebook, Amazon und Microsoft. Diese Unternehmen wissen viel über jeden Einzelnen von uns. Unsere Daten, die wir ihnen umsonst zur Verfügung stellen, sind eine reine Goldgrube für sie. Diese grossen Internetkonzerne machen Geld mit unseren Daten, indem sie Werbung verkaufen. Doch dieses Geschäftsmodell hat keine Zukunft, meint der Publizist Evgeny Morozov. Überhaupt sollten die Konzerne uns bezahlen – und nicht wir sie. Der belarussische Internetkritiker hat vor über zehn Jahren bereits auf die dunklen Seiten der Digitalkonzerne hingewiesen, auf ihre Macht und Ideologie. Und auf die komplizenhafte Rolle der Politik. Mittlerweile wissen wir alle, was Sache ist: Überwachung, Fake News, Macht-Monopole, Polarisierung. Fragt sich nur: Was tun? Yves Bossart spricht mit dem Vordenker über mögliche Auswege aus der Gefangenschaft im Netz.
9/24/202253 minutes, 45 seconds
Episode Artwork

Omri Boehm: Vom Mut, selbst zu denken

Nichts radikaler als das Erbe der Aufklärung! Der deutsch-israelische Philosoph Omri Boehm sieht Freiheit, Mündigkeit und Selbstbestimmung als wahrhaft universale Werte, die es gegen linke wie rechte Identitätspolitik unbedingt zu verteidigen gilt. Eine globale Vision für das 21. Jahrhundert. «Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!», so lautet mit Immanuel Kant der Leitspruch der Aufklärung. Für den deutsch-israelischen Philosophen Omri Boehm liegt darin bis heute der Kern einer freien, gerechten Gesellschaft. Gegen den Konformitätsdruck von Cancel Culture und Identitätspolitik, aber auch gegen ein allzu verkürztes Verständnis «westlicher Werte» und von «Liberalismus», setzt er sich für eine Erneuerung der Aufklärung im 21. Jahrhundert ein. Gerade heute gelte es, universelle Werte entschlossen zu verteidigen. Und damit Werte, die auf keiner spezifischen Tradition und Kultur beruhen, sondern sich in der Fähigkeit, selbst zu denken, immer wieder neu offenbaren und bewähren. Im Gespräch mit Wolfram Eilenberger erläutert der in New York lehrende Philosoph und Autor des Buches «Radikaler Universalismus» (2022) seine prophetische Vision, das Versprechen von Mündigkeit, Autonomie und Freiheit für alle, wirklich alle Menschen auf diesem Planeten endlich einzulösen.
9/10/202259 minutes, 7 seconds
Episode Artwork

Was sind gerechte Steuern? Ein Streitgespräch

Steuern – für die einen sind sie Diebstahl, für die anderen die Grundvoraussetzung für eine gerechte Gesellschaft. Aber wie hoch dürfen sie sein? Wie viel Wettbewerb braucht es? Ein Streitgespräch über Steuergerechtigkeit mit dem Philosophen Andreas Cassee und dem Ökonomen Christoph Schaltegger. Am 25. September 2022 stimmt die Schweiz, einmal mehr, über Steuern ab. Diesmal geht es um die Mehrwertsteuer und die Verrechnungssteuer. Doch was ist eigentlich der Sinn und die Legitimation von Steuern? Wann ist eine Steuer gerecht? Und wie viel Regulierung braucht der internationale Steuerwettbewerb? Darüber spricht Yves Bossart einerseits mit Andreas Cassee, Juniorprofessor für Politische Philosophie an der Universität Mannheim, der sagt, dass Eigentum erst in Verbindung mit einem gerechten Steuersystem legitim sein kann, andererseits mit Christoph Schaltegger, Professor für Politische Ökonomie und Direktor des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik an der Universität Luzern, für den die Vermögenssteuer eine schädliche Steuer ist.
9/3/202259 minutes, 27 seconds
Episode Artwork

Die narrative Gesellschaft: Wie Erzählungen unser Leben bestimmen

Ob als Märchen, Utopie oder Verschwörung: Geschichten prägen unser Weltverständnis. Jüngste Forschungen rufen gar eine Revolution des Menschenbilds aus: vom homo sapiens zum homo narrans! Die Folgen? Publizistin Samira El Ouassil und Kognitionswissenschaftler Fritz Breithaupt klären auf. Was haben die Märchen der Brüder Grimm mit Verschwörungstheorien gemeinsam? Die Deutung des Kriegs in der Ukraine mit dem Alten Testament? Appelle zu ökologischer Transformation mit utopischer Literatur? Sie erzählen (oder: Es sind) packende Geschichten! Wie nicht zuletzt neueste Forschungen zeigen: Menschen sind vor allem narrative Wesen. Sie verstehen die Welt in und durch Geschichten. Doch worin wurzelt die grundmenschliche Faszination für Narrative? Welche evolutionären Vorteile bringt sie mit sich? Welche politischen Gefahren und Verwerfungen? Dass Geschichten, um Massen zu mobilisieren, nicht unbedingt auf Fakten beruhen müssen, zeigen nicht zuletzt Verschwörungstheorien und Fake News. Ist jede Geschichte am Ende nur eine Fiktion? Die Publizistin Samira El Ouassil („Erzählende Affen, 2021) und der Kognitionswissenschaftler Fritz Breithaupt („Das narrative Gehirn, 2022) im Gespräch mit Wolfram Eilenberger über das Ideal einer narrativ aufgeklärten Gesellschaft.
8/28/202256 minutes, 59 seconds
Episode Artwork

Die Schweiz ringt um ihre Neutralität

Der Russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat einen Streit um die Schweizer Neutralität entfacht. Yves Bossart spricht mit der Philosophin Katja Gentinetta und der Politologin Anna-Lina Müller über Sinn und Unsinn von politischer Neutralität. Alt Bundesrat Christoph Blocher übt scharfe Kritik an der Schweizer Übernahme der EU-Sanktionen gegen Russland durch den Bundesrat: Wer bei wirtschaftlichen Sanktionen mitmache, sei Kriegspartei. Mittels einer Volksinitiative soll die «integrale Neutralität» in der Bundesverfassung neu festgeschrieben werden. Andere wiederum stellen die Neutralität infrage oder fordern eine zeitgemässe Neudefinition. Denn: Die Schweiz hat nicht nur die EU-Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland übernommen, sondern Deutschland die Weitergabe von Kampfpanzern an die Ukraine erlaubt. Und sie ist neu als Mitglied des UNO-Sicherheitsrates gewählt. Handelt es sich hierbei um einen Bruch mit der Neutralität? Oder ist die Neutralität längst ein überholtes Klischee? Was taugt die Schweizer Neutralität wirklich? Yves Bossart im Gespräch mit der Philosophin, Publizistin und Moderatorin Katja Gentinetta und mit Anna-Lina Müller, Politologin und Co-Geschäftsführerin der Denkfabrik «Foraus» (Forum Aussenpolitik).
7/3/202258 minutes, 11 seconds
Episode Artwork

Thomas Zurbuchen: Der Schweizer, der nach den Sternen greift

Kometenhafter kann ein Aufstieg nicht sein: Aufgewachsen im Dorf Heiligenschwendi, leitet Thomas Zurbuchen heute als Nasa-Forschungsdirektor die Missionen zum Mond und Mars sowie die Suche nach Ufos. Ein Gespräch über die Stellung des Menschen im Kosmos und den Aufbruch zu neuen Welten. Thomas Zurbuchen ist einer der mächtigsten Wissenschaftler der Welt: Als Forschungsdirektor der amerikanischen Raumfahrtbehörde Nasa beträgt sein Jahresbudget sieben Milliarden Dollar. Nebst über 100 Weltraummissionen ist er auch verantwortlich für die neu begonnene Suche nach Ufos. Was lockte den Berner, der in einfachen evangelischen Verhältnissen aufwuchs, zur Weltraumforschung und solch einer beispiellosen Karriere? Welche Antworten erhofft er sich bei der Suche nach ausserirdischem Leben? Droht das All durch zunehmenden Weltraumtourismus und zehntausende Satelliten von Investoren wie Elon Musk zu vermüllen? Und wie kann die Raumfahrt trotz massivem Ressourcenverbrauch auch helfen, den Klimawandel besser zu verstehen und zu bewältigen? Das Gespräch mit dem Schweizer, der tatsächlich «rocket science» betreibt, führt Wolfram Eilenberger.
6/26/202259 minutes, 22 seconds
Episode Artwork

Ich poste, also bin ich – Leben in der Influencer-Gesellschaft

Ältere Menschen haben noch nie von ihnen gehört, für jüngere sind sie Stars und Vorbilder: Influencer. Sie teilen ihr intimstes Leben und sammeln Follower, verdienen mit Produkthinweisen oft ein Vermögen. Woher kommt dieser narzisstische Exhibitionismus? Und was macht das mit der Gesellschaft? Auf den Social-Media-Plattformen Instagram, TikTok oder YouTube wird man von Milliarden von Bildern überflutet. Die Influencerinnen decken die Follower ein mit Schminktipps, Traumdestinationen und Tanzeinlagen. Und damit ihre Erwartungen an Likes und Followern regelmässig übertroffen werden, müssen die Nutzerinnen immer bessere Inhalte abliefern: Selbstinszenierungen werden immer professioneller, Selfies waghalsiger. Inzwischen sollen jährlich weltweit wesentlich mehr Menschen bei dem Versuch, ein Foto von sich zu schiessen, sterben, als bei Hai-Angriffen. 2021 lag das weltweite Volumen des Influencer-Marketings bei knapp 14 Milliarden Dollar. Und da sind auch noch die Sinnfluencerinnen: Sie nutzen die Kanäle für ideale Werte, nachhaltige Produkte oder Glaubensfragen. Sie sind als Christfluencer unterwegs, werben für Inklusion oder Body Positivity. Welche Auswirkungen hat dieses «Leben für die Anderen»? Und was macht es mit einem, wenn man sich ständig mit der Selbstinszenierung anderer berieselt? Gibt es ein gutes Leben in den Sozialen Medien? Und: Bin ich nicht mehr, wenn ich nicht mehr poste? Yves Bossart diskutiert mit Anna Miller, Journalistin, Autorin und Aktivistin, und mit Wolfgang M. Schmitt, YouTuber, Podcaster und Co-Autor des Buches «Influencer – Die Ideologie der Werbekörper».
6/19/202259 minutes, 51 seconds
Episode Artwork

Lisa Eckhart – Ist das lustig?

Lisa Eckhart liebt die Provokation. Die österreichische Kabarettistin und Schriftstellerin bricht Tabus, sie wettert gegen politische Korrektheit und macht Witze, die für viele zu weit gehen. Warum sie das tut und wie wichtig Humor für die Gesellschaft ist, darüber spricht sie mit Yves Bossart. Lisa Eckhart ist erst 30 Jahre alt und eine der erfolgreichsten, aber auch umstrittensten Kabarettistinnen im deutschsprachigen Raum. Sie füllt grosse Hallen, ist Stammgast der ARD-Sendung «Nuhr im Ersten» und Preisträgerin des Salzburger Stiers. Ihr wird aber auch Antisemitismus und Rassismus vorgeworfen, denn viele ihrer Pointen basieren auf abwertenden Klischees und Stereotypen über Minderheiten. Wie geht sie mit dieser Kritik um? Wo liegen die moralischen Grenzen des Humors? Und gibt es ein gutes Leben ohne Humor? Darüber spricht Yves Bossart mit der österreichischen Kabarettistin und Schriftstellerin.
6/12/202258 minutes, 17 seconds
Episode Artwork

Engagement zwischen Idealismus und Ohnmacht

Klimaschutz, Transgenderrechte, Inklusion für alle – soziale Bewegungen wie «Fridays for Future», «Black Lives Matter» oder die «Pride» kämpfen für eine bessere Welt. Ein Kampf, der zwischen Idealismus, Pflichtgefühl und Ohnmacht oszilliert. Wann kippt der Kampf in Selbstverwirklichung? Die junge schwedische Klimaaktivistin hat es vorgemacht: Die von ihr initiierten «Schulstreiks für das Klima» sind zur globalen Bewegung «Fridays for Future» angewachsen. Tausende taten es der damals 15-Jährigen gleich und verschafften dem Kampf gegen die drohende Klimakatastrophe neue Dringlichkeit. Doch die Bewegung lahmt, die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften harzt, viele Aktivistinnen und Aktivisten sind am Limit. Die Rede vom «Activist Burnout» macht die Runde. Und trotzdem: Aufgeben ist für die meisten keine Option. Woher kommt die Kraft für dieses Engagement? Wann führt Aktivismus zum Ziel und wann gerät er zum naiven Ego-Trip? Und darf man angesichts der Weltlage auch einfach den Tag geniessen und sich um Weltverbesserung scheren? Barbara Bleisch im Gespräch mit Raúl Krauthausen, Aktivist für Inklusion und Barrierefreiheit, und Philosoph Stefan Riedener über das Ziel von sozialem Engagement und dessen Beitrag zu einem sinnvollen Leben.
6/5/20221 hour, 46 seconds
Episode Artwork

Slavoj Žižek – Die Revolution und das Reale

Slavoj Žižek gilt als einer der bekanntesten, aber auch umstrittensten Philosophen der Gegenwart, der in seinen Texten die gängige Denkweise komplett über den Haufen wirft. Yves Bossart spricht mit ihm über die Theorien, die hinter seinen überraschenden Gegenwartsanalysen stehen. Seine Produktivität ist kaum zu bremsen – allein drei Bücher veröffentlichte der slowenische Philosoph Slavoj Žižek zur Pandemie. Sein Gesamtwerk umfasst nahezu 100 Bücher. In ihnen äussert er sich zu fast allem – sei es Popkultur, Film, Religion, Politik, Sex oder Toiletten. Dabei hat er häufig ganz eigene Interpretationen der Welt, von Philosophie und Religion. So plädiert er etwa für eine direkte Verbindung zwischen Marxismus und Christentum, übt Kritik an politischer Korrektheit und greift zu guter Letzt immer wieder auf Lacans Psychoanalyse zurück. Dabei macht Žižek eindrucksvoll deutlich, dass die Dinge ganz anders sind als wir meinen – es ist nämlich immer genau umgekehrt. Yves Bossart spricht mit ihm über das Verhältnis zwischen dem Schreiben und dem Tod, über sein theoretisches Fundament mit Rückgriffen auf die Philosophen Georg Friedrich Hegel, Karl Marx und den Psychoanalytiker Jacques Lacan und darüber, wie der Kapitalismus nur durch sich selbst überwunden werden kann.
5/29/20221 hour, 53 seconds
Episode Artwork

Ronja von Rönne trotzt dem Leben

Sie reisst Komfortzonen ein, bricht mit Tabus und wurde bekannt als schnoddrigste Stimme ihrer Generation: Autorin Ronja von Rönne landete mit 22 Jahren einen Bestseller, moderiert eine Philosophie-Sendung bei Arte und ist gern gesehen in Talkshows. Sie kennt aber auch die Schattenseiten des Lebens. In Ronja von Rönnes neuem Roman «Ende in Sicht» geht es um zwei Menschen, die ihrem Leben ein Ende setzen wollen. Per Zufall werden sie zur Schicksalsgemeinschaft und realisieren, dass das Leben trotz aller Widrigkeiten noch was zu bieten hat. Die junge Schriftstellerin weiss, wovon sie schreibt: Seit Jahren kämpft sie mit wiederkehrenden Depressionen. Ihre Bücher und Kolumnen schreibt sie nicht wegen oder dank der Depression – sondern trotz der Depression. Warum das ganze Leben manchmal ein Auflehnen ist und im Trotzdem ein philosophischer Zauber liegt, darüber spricht Barbara Bleisch mit Ronja von Rönne.
5/22/202258 minutes, 58 seconds