Willkommen bei Lesezeichen, dem STANDARD-Buchclub für Literatur, die uns bewegt. Hier lesen und besprechen wir ab 5. März alle 14 Tage Bücher von Autor*innen, die für hitzige gesellschaftspolitische Debatten sorgen oder uns so sehr inspirieren, dass wir darüber reden müssen. Unser Buchclub lädt zum Mitlesen und Debattieren ein. Wir sind aber auch die genau richtige Adresse für alle, die einfach auf der Suche nach gutem Lesestoff und interessanten Neuerscheinungen sind. Wer unsere Diskussionen und Empfehlungen nicht verpassen will, abonniert Lesezeichen am besten gleich bei Apple Podcasts oder Spotify.
"Das Paradies ist weiblich": Die Angst davor, dass Frauen sich rächen könnten
Der Sammelband "Das Paradies ist weiblich. 20 Einladungen in eine Welt, in der Frauen das Sagen haben" wurde von der Autorin Tanja Raich ("Jesolo") herausgegeben und ist am 22. Februar erschienen. Darin denken 20 Autor:innen über eine Welt nach, in der Frauen sämtliche Bereiche unseres Lebens regeln. Was, wenn wir in einem Matriarchat leben würden? Wollen wir das überhaupt? Und steckt in der verbreiteten Abwehrhaltung gegen feministische Idee auch die Angst, dass Frauen die Verhältnisse einfach umdrehen– und sich für die Jahrtausende lange Unterdrückung rächen könnten? Und was ist ein Matriarchat eigentlich?
Für die Auslotung dieser Frage konnte Tanja Raich Autor:innen wie Kübra Gümüşay, Mithu Sanyal, Julia Korbik, Emilia Roig, Shida Bazyar, Linus Giese, Kübra Gümüşay, Simone Hirth, Gertraud Klemm, Miku Sophie Kühmel, Nicolas Mahler, Barbara Rieger, Jaroslav Rudiš, Mithu Sanyal, Tonio Schachinger, Margit Schreiner, Sophia Süßmilch oder Feridun Zaimoglu gewinnen.
Zu Gast in dieser Lesezeichen-Ausgabe ist Petra Unger. Sie ist Kulturvermittlerin, Akademische Referentin für feministische Bildung und Politik, Expertin für Gender Studies und Feministische Forschung und Begründerin der Wiener Frauenspaziergänge, bei denen sie seit 25 Jahren die weibliche Geschichte Wiens erforscht. Inzwischen gibt es 50 verschiedenen Routen zu Frauengeschichte sowie frauen- und geschlechterrelevanten Themen, die Interessiert mit ihr bewandern können.
3/4/2022 • 23 minutes, 36 seconds
"Die Geschichte meiner Sexualität": Nimm doch bitte mal die Hände weg
Tobi Lakmakers Roman ist vor einem Jahr in den Niederlanden erschienen und liegt nun auf Deutsch vor. Der in Amsterdam lebende Transmann Lakmaker erzählt darin von seinen Erlebnissen zwischen 17 und 25 Jahren, die er damals noch als Sophie Lakmaker machte. Sex mit Männern, Sex mit Frauen und welchen, bei dem das Gegenüber doch mal bitte die Hände bei sich lassen soll. Doch es steckt gar nicht so viel Sex in dem Buch mit einem solchen Titel. Mindestens so viel Gewicht haben Lakmakers Erfahrungen mit Uni-Reisen, Trennungen, Tod und einem Leben als wenig überzeugtes Mädchen, später als noch weniger überzeugte Frau – also doch wieder Sexualität.
2/4/2022 • 20 minutes, 32 seconds
"Die Erfindung der Hausfrau": Kinder, Küche, gekippte Machtverhältnisse
"Die Verwandlung der Frauen in eine heimliche Dienerklasse war eine ökonomische Leistung ersten Ranges", diesen Satz eines Wirtschaftswissenschaftlers aus den 70er-Jahren zitiert die deutsche Kulturwissenschaftlerin Evke Rulffes in ihrem viel beachteten Buch "Die Erfindung der Hausfrau", in der sie die historische Entwicklung von der "Hausmutter", übrigens ein Ratgeberbuch aus dem 18. Jahrhundert, die eine Art Managerin war, hin zur bürgerlichen Hausfrau, die in jeder Beziehung abhängig und entwertet war. Wie konnte das passieren? Warum gibt es heute noch immer so wenig Wertschätzung für Haus- und Carearbeit? Warum hat die Corona-Pandemie wieder einen großen Backlash für Frauen bedeutet? Und warum gehen noch immer so wenige Männer in Väterkarenz? Diese und andere Fragen stellen wir uns gemeinsam mit der Schriftstellerin Sabine Scholl, die sich in ihren Büchern schon mehrfach mit weiblichen Rollenbildern und Frauenschicksalen auseinandergesetzt hat und besprechen auch die Tücken der Ratgeberliteratur und den damit verbundenen Selbstoptimierungszwang für Frauen.
1/21/2022 • 24 minutes, 46 seconds
Marie Kondo: Räum auf, als ob es um dein Leben ginge
Die ersten Tage des neues Jahres sind für viele mit guten Vorsätzen gepflastert. Künftig mehr Ordnung zu halten zum Beispiel, im Kleiderkasten, im Bücherregal, im digitalen Leben – einfach überall.
Das wird nicht nur vieles leichter machen, es macht Sie auch glücklich, gibt Ihnen Raum für ein Leben, wie Sie es sich schon immer vorgestellt haben. Das ist zumindest das Versprechen von Marie Kondo, die seit Jahren ihre Expertise in Sachen Ordnunghalten mit Büchern, TV-Shows und Kursen an ein inzwischen riesiges Publikum bringt.
"Alles in Ordnung. Dein praktischer KonMari-Begleiter für Wohnung und Leben" ist das aktuelle Buch der Bestsellerautorin und Aufräumfachfrau und für unseren Buchclub die Gelegenheit, über Ratgeberliteratur zu sprechen: Warum ist diese so oft auf Frauen zugeschnitten? Welche Illusionen verbreitet sie? Und welche Wahrheiten zeigt sie auf? Zu Gast ist die Philosophin, Autorin und Podcasterin Lisz Hirn.
1/7/2022 • 23 minutes, 56 seconds
Ausnahmejahr 2021: Neun Buchtipps von Monika Rinck
Im heutigen Podcast besprechen wir nicht, wie wir das sonst immer tun, ein einziges Buch, sondern das ganzes Bücherjahr 2021. Ein gänzlich unmögliches Unterfangen. Aber für einen etwas anderen Jahresrückblick auf das Literaturjahr 2021 sorgt Lesezeichen-Gast Monika Rinck. Sie ist nicht nur Schriftstellerin und Lyrikerin aus Berlin, sondern seit einem Jahr auch ununterbrochen in Wien, sie leitet zusammen mit ihrer Kollegin Gerhild Steinbuch das Institut der Sprachkunst an der Universität für Angewandte Kunst. Sprich: Sie schreibt nicht nur Literatur, sondern unterrichtet es auch.
12/17/2021 • 21 minutes, 24 seconds
Wie wir Rassismus nicht weiter in die Zukunft tragen
Im Dezember schauen wir in unserem Buchclub auf das vergangene Buchjahr zurück – und besprechen eines der wohl wichtigsten Bücher dieses Jahres: "Why We Matter. Das Ende der Unterdrückung" von Emilia Roig. Die Politikwissenschafterin untersuchte darin die Ursprünge und gezielten Mechanismen von Rassismus, Sexismus und anderen Formen der Unterdrückung – und wie sie sich gegenseitig verstärken können.
Detailliert und engagiert beschreibt Roig, wie Rassismus immer wieder erfolgreich bagatellisiert, vereidigt und so bis heute fester Bestandteil unsere Gesellschaft ist. Emilia Roig bietet in dem Buch nicht nur ihr theoretisches Wissen und Ideen, wie eine Welt ohne Rassismus vorstellbar werden könnte, sondern sie erzählt auch von ihrer eigenen Erfahrungen, die sie als schwarze, queere Frau mit Diskriminierungen auf mehreren Ebenen erlebt.
Gast bei Lesezeichen ist diesmal Noura Maan, Außenpolitikredakteurin und Chefin vom Dienst.
12/2/2021 • 18 minutes, 3 seconds
Lockdownbeschäftigung mit "Der Sex meines Lebens"
Der Titel des Buchs "Der Sex meines Lebens" ist, das liegt auf der Hand, im doppelten Sinn zu verstehen. Der Autorin, die für ihre sexuelle Autobiografie anonym bleiben möchte, "um die Erzählung und nicht die Erzählerin in den Vordergrund zu stellen", geht es zum einen um sämtliche sexuelle Erfahrungen, die sich im Laufe ihres Lebens angesammelt haben, aber dieses Buch ist auch die Suche nach dem "besten" Sex ihres Lebens.
Dieses Buch, erschienen im Ullstein-Verlag, sind sich Mia Eidlhuber und Beate Hausbichler einig, ist aber noch viel mehr: Es ist das Zeugnis einer Frau, für die 68er-Bewegung und sexuelle Befreiung kein erfüllendes Sexualleben mit sich gebracht haben, im Gegenteil: Mitgemacht oder auch mit sich machen lassen hat diese Autorin, von der wir annehmen dürfen, dass sie heute in etwa um die sechzig Jahre alt ist, einiges.
Sie selbst spricht im Klappentext ihrer Aufzeichnungen offen und mutig von "Überforderung" und "Überrumpelungen", das Wort "Missbrauch" kommt dabei nicht vor. Ihre teilweise schmerzhaften Erinnerungen und Aufzeichnungen sind deshalb auch Zeugnis einer Zeit, in der sexuelle Selbstbestimmung und Grenzsetzungen noch nicht so selbstverständlich waren wie in einer heutigen Gesellschaft, die auch durch die #MeToo-Bewegung langsam lernen musste auf Bedürfnisse und Befindlichkeiten von Frauen mehr Rücksicht zu nehmen.
Ob die Autorin, die sich "Anonyma" nennt, am Ende doch den Sex ihres Lebens gefunden hat, wird an dieser Stelle nicht verraten, aber hören Sie selbst.
11/19/2021 • 22 minutes, 32 seconds
"Blaue Frau": Die Geschichte über eine Vergewaltigung hat den Deutschen Buchpreis gewonnen
Bereits auf den ersten Seiten von Antje Rávik Strubels erst vor kurzem mit dem Deutschen Buchpreis 2021 ausgezeichnetem Roman setzt ein Sog ein: Adina, steht unter Schock. Die junge Frau hat es von Tschechien bis nach Deutschland und weiter nach Finnland verschlagen, wo sie zuerst in einem Hotel jobbt und dann eine zeitlang bei ihrem Geliebten Leonides, einem estnischen Menschenrechts-Professor lebt. Meisterhaft erzählt die in Potsdam geborene Autorin eine Geschichte von Gewalt, einem sexuellem Übergriff und ungleichen Machtverhältnissen.
11/5/2021 • 18 minutes, 31 seconds
"Radikaler Konservatismus": Nachrichten für Bürgerliche
Ein Buch, das zur rechten Zeit kommt. Mit diesem Urteil ist Julya Rabinowich offenbar nicht allein. Dabei schaffte es Natascha Strobls Buch "Radikaler Konservatismus" schon vor der Regierungskriese aufgrund der veröffentlichen Chatprotokolle zwischen Spitzenpolitikern der ÖVP und Vertrauten auf die Bestsellerliste des "Spiegel".
Das Buch zeigt den Wandel konservativer Parteien auf, beschreibt zunehmend verschwimmende Grenzen zwischen rechten bis rechtsradikalen Erzählungen und jenen konservativer Parteien. Dafür vergleicht Strobl unter anderem wichtige Figuren für Konservative in den USA und Österreich: Donald Trump und Sebastian Kurz. Ein zulässiger Vergleich?
Unser "Lesezeichen"-Gast Julya Rabinowich findet: ja. Hören Sie hier unseren Buchclub zu "Radikaler Konservatismus".
10/22/2021 • 21 minutes, 57 seconds
"Schöne Welt, wo bist du": Der Sex der Millennials und was wir von Sally Rooney lernen können
Alice ist 29, äußerst erfolgreiche Schriftstellerin, die nach einem Nervenzusammenbruch in einem Haus in einem kleinen Ort an der irischen Küste lebt. Dort lernt sie Felix kennen, der in einem Lagerhaus arbeitet, den sie irgendwann auf eine Lesereise nach Rom mitnimmt und der sich trotzdem nicht für Literatur interessiert.
Die Figur der Alice, das ist für Rooney-Fans nicht schwer zu erraten, trägt in "Schöne Welt, wo bist du", dem mittlerweile dritten Roman des irischen Literatur-Wunderkinds, auch eindeutig autobiografische Züge. Aber wer wie Rooney zur literarischen Stimme einer ganzen Generation wurde, muss das offensichtlich auch in einem Roman verarbeiten. Und so folgen wir Alice und Felix, aber auch Alices bester Freundin Eileen und deren Jugendfreund Simon in jenen Lebensabschnitt Ende zwanzig, in dem sich bekanntermaßen ganz entscheidende Dinge tun.
Sally Rooney erweist sich auch in ihrem dritten Buch wieder als virtuose Beobachterin ihrer eigenen Generation und als großes Talent in Sachen Intimität und der Beschreibung von Sex. "Diese Autorin wird zu Recht so gehypt", lautet das Fazit von Podcast-Gast Ela Angerer, Schriftstellerin und "Lustprinzip"-Kolumnistin im STANDARD.
10/8/2021 • 25 minutes, 33 seconds
"Das Ereignis": Im Sex von der Herkunft eingeholt
Die inzwischen 80-jährige Autorin Annie Ernaux schrieb mit 60 Jahren ihre Erinnerungen an eine bedrückende Zeit nieder. Es waren die 1960er-Jahre, die steckte mitten in ihrem Philosophiestudium, das ihr die Möglichkeit des sozialen Aufstiegs bot.
Das alles stand für die damals 23-jährige Annie auf der Kippe. Sie wurde schwanger. "Im Sex hatte mich meine Herkunft eingeholt, und was da in mir heranwuchs, war gewissermaßen das Scheitern meines sozialen Aufstiegs", schreibt Ernaux.
Von Beginn an war ihr klar, was sie tun wollte: die Schwangerschaft abbrechen. Ihrem klaren Entschluss stand allerdings die gesetzliche Lage entgegen, die Abtreibungen kriminalisierte. So begann ihre einsame Suche nach Möglichkeiten, das vorsichtige Herantasten an mögliche Verbündete und die große Gefahr eines illegal durchgeführten Schwangerschaftsabbruchs.
Die Kolumnistin und Autorin Elfriede Hammerl hat mit uns das Buch gelesen und erzählt von ihren Eindrücken von Annie Ernauxs Erzählung "Das Ereignis", die vor kurzem erstmals auf Deutsch erschienen ist.
9/24/2021 • 20 minutes, 47 seconds
"Dunkelblum" von Eva Menasse: Dunkle Dorfgeschichte aus Österreich
9/10/2021 • 21 minutes, 48 seconds
"Kim Jiyoung, geboren 1982": Wer im Patriarchat nicht durchdreht, spinnt
Kim Jiyoung lernt, studiert, arbeitet, heiratet, wird Mutter. Es ist das Leben von Abermillionen anderen Südkoreanerinnen, das Kim anstrebt und später auch lebt. Sie tut all das, von man ihr sagt, dass es ihr ein gutes Leben bringen wird – und bekommt dafür Sexismus, Ausbeutung und Herabwürdigung.
"Kim Jiyoung, geboren 1982" ist zu einem zentralen Text für Südkoreas feministische Bewegung geworden. Das Buch mobilisierte 2018 zehntausende Frauen zu Protesten auf den Straßen von Seoul. Heuer wurde der Bestseller auf Deutsch übersetzt, der auch zeigt, wie prototypisch die Geschichte von Kim Jiyoung für viele andere Frauenleben weltweit ist.
8/20/2021 • 22 minutes, 39 seconds
"Always happy hour": Vom Fatalismus amerikanischer Frauenleben
Von einer "Wirklichkeitswucht" sprach die Literaturkritik schon bei Mary Millers Roman "Süßer König Jesus" und das gilt auch wieder für elf neue, auf Deutsch erschienene Kurzgeschichten mit dem sommerlichen Titel "Always Happy Hour". Millers Frauenfiguren hängen in einem mitunter deprimierenden, postmodernen Lifestyle, haben zwar Sehnsucht nach Liebe, aber ohne sie zulassen zu können. In einer geradlinigen Sprache erzählt Miller über elf unterschiedliche Frauen, die zwar ohne Namen, Alter oder Verortung bleiben, aber einen Fatalismus gegenüber ihrem eigenen Leben und komische Männer an ihrer Seite haben. "Für meine Exfreunde", lautete dementsprechend die Widmung von Miller, in den Danksagungen führt sie das aus: "Ihr habt mir Stoff für Jahre im Voraus geliefert."
8/6/2021 • 19 minutes, 21 seconds
"Die Nachricht": Blanker Hass in ländlicher Idylle
Erst nimmt sie es cool. Anonyme Hassbotschaften sind der Drehbuchautorin Ruth nicht gänzlich fremd. Doch nach und nach dringen die immer wieder kommenden Nachrichten tief in ihr Leben, das sie trotz eines tragischen Unfalltodes ihres Mannes vor vier Jahren ganz gut im Griff hat. Das Verhältnis zu ihren Kindern ist gut, ihre Freundschaften stabil und ihr Leben auf dem Land insgesamt schön. Wer hat es auf Ruth abgesehen? Warum will sie jemand auch bei ihrer Familie und ihren Freund*innen diffamieren? Wie soll Ruth damit umgehen?
Maria Windhager kennt Fälle wie diesen aus ihrer Berufspraxis und hat für "Lesezeichen" den neuen Roman von Doris Knecht, "Die Nachricht", gelesen – und ist begeistert. Warum, schildert sie in der neuesten Ausgabe unsers Buchklubs.
7/23/2021 • 21 minutes, 53 seconds
"Riot, don't diet!": Dick, haarig und völlig wurscht
Dass mit den gängigen Schönheitsnormen Milliarden verdient werden, das ist längst bekannt. Ebenso, dass genau deshalb immer wieder neue Schönheitsideale erfunden werden. Trotzdem ist es für sehr viele, wenn nicht für die meisten, enorm schwer, ihrem oder seinem Aussehen halbwegs gelassen zu begegnen. Elisabeth Lechner seziert in ihrem Buch "Riot, don't diet!" den kapitalistischen und politischen Hintergrund, vor dem Menschen aufgrund ihres Körpers bewertet, normiert und diskriminiert werden.
Die Podcasterin und Genderexpertin Beatrice Frasl spricht in dieser Ausgabe von "Lesezeichen" über die Funktionen von im Buch thematisierten Affekten wie Scham und Eckel und dass es schlicht nicht die Aufgabe unserer Körper ist, für andere schön auszusehen.
7/9/2021 • 22 minutes, 56 seconds
Harte Frauenschicksale: "Dein Schatten tanzt in der Küche"
In "Dein Schatten tanzt in der Küche" (Aufbau Verlag) packt die österreichische Schriftstellerin Barbara Frischmuth, die schon seit der Veröffentlichung ihres ersten Romans "Die Klosterschule" im Jahr 1968 zur fixen Bewohnerin der österreichischen Literaturlandschaft zählt, die ganz großen Themen in die kleine Form der Erzählung. Für Darya, Agnes, Amelie, Paula und Doris geht es in unterschiedlichen Ausprägungen um weibliche Selbstbestimmung, das Hinnehmen und Umgehen mit harten Verlusten, Schuld und Scheitern an bestimmten Lebensumständen. Kunstvoll und tatsächlich sehr unsentimental erzählt die Autorin, die Anfang Juli ihren 80. Geburtstag feiert, diese fünf Frauenschicksale, in denen mehrfach auch das Thema Altern und vor allem Alterspräkariat ein Thema werden.
"Dein Schatten tanzt in der Küche" ist aber nicht das einzige Buch, das Barbara Frischmuth anlässlich ihres Geburtstags ihrer Leserschaft vorlegt. Wenn es um die Altausseer Autorin geht, dann darf ein Pflanzenbuch nicht fehlen: "Natur und die Versuche, ihr mit Sprache beizukommen" (Residenz Verlag) heißt es und versammelt zwei Vorlesungen der großen Garten-Autorin. Was sie darin alles verpackt hat, auch darüber erzählt uns die Journalistin, Literaturkritikerin und Garten-Expertin Julia Kospach, die schon viele Begegnungen mit Frischmuth hinten sich hat. Zum 80er binden wir der Schriftstellerin auch einen digitalen Blumenstrauß-Gruß. Kurze Stichworte: Madonnenlilien und Eselspenisse. Wir wünsche der Autorin alles Gute!
6/25/2021 • 20 minutes, 51 seconds
"Im Land der Anderen": Frausein im Marokko der Fünfzigerjahre
"Das Land der Anderen" ist die Geschichte der jungen, abenteuerlustigen Elsässerin Mathilde, die sich am Ende des Zweiten Weltkriegs in Amine, einen marokkanischen Offizier der französischen Armee verliebt, ihn heiratet und mit ihm von Frankreich nach Marokko geht und dort mit ihm auf einem abgelegenen Hof bei Meknès ihre beiden Kinder großzieht.
Leila Slimani nimmt uns mit in die Biografie ihrer Großmutter, erzählt über den Kolonialismus in Marokko und über die Zerrissenheit eines Landes auf dem Weg zur Unabhängigkeit, einer Familie und einer Frau zwischen Tradition und Moderne, zwischen Umbruch und Aufbruch. Mit der österreichischen Schriftstellerin Tanja Paar, die lange für den STANDARD als Reiseredakteurin tätig war, sprechen wir über diesen spannenden historischen Stoff, Slimanis ersten Teil einer Roman-Trilogie.
6/11/2021 • 21 minutes, 20 seconds
"Auf dem Sonnenstrahl": Zukunft ohne Männer
Die Geschichte von Mia spielt in der fernen Zukunft. Heterosexualität als der Standard schlechthin ist passé, die klassische Kernfamilie gibt es nur mehr im hintersten Winkel des Weltalls, die Erde ist längst nicht mehr bewohnbar. Die erst 25-jährige Comic-Künstlerin Tillie Walden legte mit ihrer ursprünglich als Webcomic angelegten Geschichte eine Space-Opera vor, in der es ums Erwachsenwerden und die erste Liebe Grace geht.
Und in Mias Fall ist es offenbar auch die ganz große Liebe: Sie kann sie nicht vergessen und macht sich mit ihrer Wahlfamilie auf die Suche nach Grace. Die US-Amerikanerin Tillie Walden nimmt die Leser*innen mit in eine atmosphärische Science-Fiction-Geschichte, über die wir in "Lesezeichen" mit Karin Krichmayr, Wissenschaftsjournalistin beim STANDARD und Comicexpertin, sprechen. Welche Rolle spielt Geschlecht in Waldens Entwurf einer fernen Zukunft, und wie lässt sich Waldens verwendete Jugendsprache auf Deutsch übersetzen?
5/28/2021 • 20 minutes, 3 seconds
"Daheim": "Fräuleinwunder" mit 50 gut zuhause angekommen
Als Judith Hermann mit ihrem Kurzgeschichtenband "Sommerhaus, später" 1998 schlagartig berühmt wurde, war sich das deutschsprachige Feuilleton einig, dass sie damit den Sound einer ganzen Generation getroffen hat und hat Hermann zum "Fräuleinwunder" der deutschen Literatur gestempelt. Jetzt ist mit "Daheim" der erst zweite Roman der mittlerweile 50-jährigen Berlinerin erschienen, der von der Literaturkritik und auch hier im Standard-Buchklub durchaus positiv aufgenommen wurde. Zu Gast bei "lesezeichen" ist die österreichische und ausgesprochen feministische Schriftstellerin Gertraud Klemm, die sich mit ihren Romanen "Muttergehäuse", "Aberland" oder zuletzt "Hippocampus" einen fixen Platz in der österreichischen Literaturlandschaft gesichert hat. Mit Mia Eidlhuber bespricht sie den Aufbau und die tragenden Personen von "Daheim" und auch darüber, dass es Judith Herman im deutschen Literaturbetrieb nicht immer ganz einfach hatte.
5/14/2021 • 21 minutes, 11 seconds
Wortverliebter und wortkarger "Vati"
Nach ihrem Erfolgsroman aus dem Vorjahr, "Die Bagage", legte die 73-jährige Autorin Monika Helfer Anfang dieses Jahres einen weiteren autobiographischen, oder besser: autofiktionalen, Roman vor. In "Vati" erzählt sie von ihrer eigenen Kindheit, ihrem wortkargen, verwitweten und Bücher liebenden Vater, der früh verstorbenen Mutter und dem Rest einer Familie, die einspringt, wenn sich die Eltern nicht kümmern konnten. Helfer wechselt dabei zwischen ihren Erinnerungen im Hier und Jetzt, denen sie selbst nicht immer ganz traut, und weit zurückliegenden Familiengeschichten virtuos hin und her, wie Doris Knecht, ebenfalls Romanautorin, über "Vati" feststellt.
4/30/2021 • 20 minutes, 54 seconds
"Vom Aufstehen": Harter Mutter-Tochter-Tobak
"Vom Aufstehen", so hieß schon der Text, mit dem Helga Schubert 2020 den Bachmannpreis gewonnen hat und damit für viel Aufmerksamkeit gesorgt hat, nicht nur, weil die deutsche Autorin damit als 80-Jährige ein literarisches Comeback hingelegt hat, sondern auch eine bemerkenswerte Geschichte über eine äußerst schwierige und komplexe Mutter-Tochter-Beziehung erzählt. Sage und schreibe 40 Jahre zuvor wurde Helga Schubert als 40-Jährige schon einmal nach Klagenfurt eingeladen, durfte damals aber aus der DDR nicht ausreisen. In 29 autofiktionalen Geschichten, in denen zunächst vieles nicht gut ist, erzählt sie uns aus den Zeiten der DDR-Diktatur, der Wende und den Wende-Jahren, und vor allem auch von ihrem traurigen Dasein als Kriegskind, das mit nur einem Jahr den Vater verliert und mit der Mutter eine dramatische Fluchtgeschichte erleben muss. Schuberts Buch handelt schließlich viel davon, wie aus so vielen biografischen Widrigkeiten doch noch ein gelingendes Leben werden kann, an dessen Ende gilt: Alles ist gut.
4/16/2021 • 21 minutes, 58 seconds
"Komplett Gänsehaut": Alte weiße Männer - Next Generation
Die Ich-Erzählerin ist 27, also genau in dem Alter, in dem Janis Joplin, Jimi Hendrix und viele andere Musiker*innen gestorben sind, Stichwort Klub 27.
In "Komplett Gänsehaut" geht das Leben allerdings erst so richtig los. Es gibt keinen wilden bis lebensbedrohlichen Lebenswandel, stattdessen macht die Erzählerin eine Art Transformation von ihrem bisherigen Selbstentwurf als Jugendliche in eine Art Erwachsenenleben durch. Neue Wohnung, neue Gegend, neues Leben?
Sophie Passmann wurde vor allem durch ihren Bestseller "Alte weiße Männer. Ein Schlichtungsversuch" (2019) bekannt, in dem sie mit dem mächtigen Mann ins Gespräch kommen wollte. Mit "Komplett Gänsehaut" fühlt sie nun – wenngleich in einem völlig anderen Stil – den Kindern dieses privilegierten Milieus auf den Zahn.
Die Musikerin und Autorin (zuletzt "Du bist dran!") Doris Mitterbauer aka Mieze Medusa ist am 2. April unser Buchklubgast und verrät uns, ob und warum wir dieses Buch lesen sollten.
4/2/2021 • 20 minutes, 48 seconds
"Trick Mirror": Das Internet und andere Höllen
Die Essaysammlung der nur 32-jährigen Jia Tolentino, mittlerweile Redakteurin beim renommierten US-Magazin "New Yorker", gilt heute schon, das Buch ist in den USA schon 2019 erschienen, als feministischer Klassiker des Internetzeitalters. In neun unterschiedlichen, sehr persönlichen Ich-Geschichten liefert Tolentino jede Menge unterhaltsamen und nachdenklich machenden Content. Sie kritisiert die süchtig-machenden Social Media-Portale, enthüllt ihre eigene TV-Reality-Vergangenheit, beschreibt die schmerzlichen Selbstoptimierungsmechanismen junger Frauen, die evangelikale Megachurch-Gemeinde, in der sie in Houston aufgewachsen ist oder die traurige Rape-Culture an US-Elite-Universitäten. Unser Buchclub-Gast am 19.3. ist die Puls4-Moderatorin und Social-Media-Expertin Corinna Milborn.
3/19/2021 • 19 minutes, 40 seconds
Identitti: Was bedeutet es, (nicht) weiß zu sein?
Die 24-jährige Nivedita studiert bei der charismatischen Saraswati Postkoloniale Theorie. Sie bewundert ihre eloquente Professorin, die für sie auch eine wichtige Identitätsfigur ist. Doch es bricht ein Skandal herein: Saraswati ist in Wahrheit weiß und keine Woman of Color, wie sie vorgegeben hat. Saraswati ist Sara Vera Theilmann. Darf man eine Identität ab- und anlegen, wie es einem passt? Und, wenn ja: Was bedeutet das für die Debatten über Rassismus und Identitätspolitik? Unser "Lesezeichen"-Gast Melisa Erkurt, Autorin und Journalistin, bespricht mit Beate Hausbichler Mithu Sanyals vieldiskutierten Roman "Identitti".
3/5/2021 • 20 minutes, 16 seconds
Trailer: Lesezeichen
Willkommen bei Lesezeichen, dem STANDARD-Buchclub für Literatur, die uns bewegt. Hier lesen und besprechen wir ab 5. März alle 14 Tage Bücher von Autor*innen, die für hitzige gesellschaftspolitische Debatten sorgen oder uns so sehr inspirieren, dass wir darüber reden müssen. Unser Buchclub lädt zum Mitlesen und Debattieren ein. Wir sind aber auch die genau richtige Adresse für alle, die einfach auf der Suche nach gutem Lesestoff und interessanten Neuerscheinungen sind. Wer unsere Diskussionen und Empfehlungen nicht verpassen will, abonniert “Lesezeichen” am besten gleich bei Apple Podcasts oder Spotify.